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StartseiteHome 70 Jahre Münchner Rundfunkorchester Eine Orchestergeschichte nach Dekaden

Eine Orchestergeschichte nach Dekaden

Thank You for the Music …

Das Münchner Rundfunkorchester: unterhaltsam und vielseitig

 

1950er Das Münchner Rundfunkorchester unter Werner Schmidt-Boelke © BR\Fred Lindinger
Werner Schmidt-Boelcke, der erste Chefdirigent, leitet eine Probe mit dem Rundfunkorchester und dem Chor des BR.

Die 1950er Jahre

„Im Zauber schöner Melodien“

Es geht wieder aufwärts. Viele träumen von einem neuen Radio: in edlem Furnier, mit „Magischem Auge“ und sattem Klang. Und nicht jeder Musikhörer ist zufrieden mit Theodor im Fußballtor und den Caprifischern. Gefragt ist „Gehobene Unterhaltungsmusik“. Mit der Gründung des Münchner Rundfunkorchesters gibt ihr der Bayerische Rundfunk eine Stimme. Am 26. Oktober 1952 erklingt das erste der legendären „Sonntagskonzerte“ im Deutschen Museum. Zuhause glühen die Röhren, und man hört es ebenfalls, zumeist noch am billigen Nachkriegsradio „Heinzelmann“.

Auf dem Programm steht Musik von Kálmán, Lehár, Millöcker: „Meister der heiteren Muse“ eben. Ein solcher ist aber auch Chefdirigent Werner Schmidt-Boelcke. Der Spezialist für Operette und Filmmusik gibt die Richtung vor, und so vergehen die 50er im „Zauber schöner Melodien“. Im Studio allerdings wird hart gearbeitet, am laufenden Band-Kilometer müssen die leeren Archive gefüllt werden. Vor allem die Operetten-Einspielungen setzen Maßstäbe – das Rundfunkorchester macht von Beginn an ernst mit der heiteren Muse.

 

1960er Erika Koeth und das Münchner Rundfunkorchester © BR\Fred Lindinger
Viele Sängerlieblinge gaben sich beim Münchner Rundfunkorchester die Ehre. Hier im Bild die Sopranistin Erika Köth 1964.

Die 1960er Jahre

Lust auf schwere Kost

Das Dampfradio war gestern. Im Wohnzimmer prangt die Phonotruhe, vielleicht schon eine schnittige „Hifi-Anlage“. Transistor und Stereophonie lauten die neuen Zauberworte. Den radiophonen Horizont beim Rundfunkorchester erweitern „Internationale Festivals der Leichten Musik“. Noch immer begeistern Operettenstars wie Sari Barabas und Rudolf Schock die Hörer, aber es regt sich auch eine neue Lust auf „Schweres“. Ausgerechnet das Erste Klavierkonzert von Liszt läutet die 60er ein, und am Ende des Jahrzehnts wird das Rundfunkorchester mit der Alpensymphonie von Richard Strauss einen Gipfel des symphonischen Repertoires erklimmen.

Werner Schmidt-Boelke zieht sich nun langsam zurück, ans Pult tritt häufig Kurt Eichhorn, ab 1967 als neuer Chefdirigent. Er liebt Mozart, Verdi, Wagner und Strauss, und er formt das Rundfunkorchester zu einem echten Opernorchester. Die Sonntagskonzerte werden etwas weniger heiter, dafür aber spannender. Eichhorns Plattenaufnahmen, darunter ein bis heute herausragender Orff-Zyklus (in den 1970er) Jahren, sind Juwelen in Papis Phonotruhe.

 

1970er Kurt Eichhorn © BR\Sessner
Walter von Cube (Programmdirektor Hörfunk) gratuliert Carl Orff zum Erfolg einer von Kurt Eichhorn (Mitte) geleiteten Aufführung von „Der Mond“ (1970).

Die 1970er Jahre

Auf Entdeckungsreise

Über die sogenannte Kompaktanlage hört nun jeder Stereo. Billiges Plastik unter Plexiglas: eigentlich ganz fürchterlich. Doch das Rundfunkorchester verbindet weiterhin Popularität mit Qualität. Die bereits 1967 von Eichhorn ins Leben gerufenen „Münchner Funkkonzerte“ erweisen sich als dauerhaftes Erfolgsmodell. Hier findet all die großartige Orchestermusik ihren Platz, die im Symphoniekonzert kaum zu hören ist, etwa Brahms’ Ungarische Tänze. Und sie sind eine Fundgrube für entdeckungslustige Hörer, voller Raritäten wie Max von Schillings Hexenlied oder Wilfried Hillers Sport und Musik.

Heinz Wallberg, Chefdirigent ab 1975, integriert zunehmend neuere Musik und begibt sich auch im Opernrepertoire auf die Suche nach Ausgefallenem. Im Aufnahmestudio tut sich einiges: Neben den beliebten Sängerporträts entstehen zahlreiche Gesamtaufnahmen von Opern und Operetten. Damit rückt das Rundfunkorchester auf dem Plattenmarkt ganz nach vorne. Künstlerisch und klanglich sind es großartige Produktionen – viel zu schade für die Kompaktanlage. Zum Glück sind manche wieder als CD erhältlich.

 

1980er Promenadenkonzert mit Daniela Witte © BR\Sessner
Daniela Witte moderiert das allererste Promenadenkonzert 1985 im Studio 1 des Funkhauses.

Die 1980er Jahre

Zwei große Italiener

Im Wohnzimmer erhebt sich der „Hifi-Turm“. Je höher, desto besser. Am besten mit CD-Spieler, der anfangs jedoch noch ziemlich kostspielig ist. Beim Rundfunkorchester erfolgt der Sprung ins digitale Zeitalter unter Lamberto Gardelli (1982–1985). In den 1940ern noch Assistent des legendären Tullio Serafin, hat er die italienische Oper, vor allem Verdi, geradezu im Blut. Viele CDs mit diesem Repertoire spielt Gardelli ein. In die bislang bunten Sonntagskonzerte bringt er eine straffere Linie.

Aber wie schon in der „Ära Wunderlich“ zieren die Programme nach wie vor die klangvollsten Namen der Opernwelt. Etwa Lucia Popp, Matti Salminen, Agnes Baltsa, Margaret Price, Mirella Freni, Waltraud Meier und Edita Gruberová, die bald regelmäßig zu Gast sein wird. Die Funkkonzerte werden langsam zum Auslaufmodell, ab 1985 werden sie durch die Promenadenkonzerte ersetzt, die trotz ihres Titel keineswegs in den musikalischen Kurgarten führen. Tragisch enden die 80er: Der von glühender Hingabe beseelte Italiener Giuseppe Patané erliegt nach nur einem Jahr als Chefdirigent, im Mai 1989, einem im Münchner Nationaltheater erlittenen Herzanfall.

 

1990er Bobby McFerrin © BR
„My favourite orchestra“, schwärmte Multitalent Bobby McFerrin von der Zusammenarbeit mit dem Rundfunkorchester.

Die 1990er Jahre

Zwischen den Welten

In der Stereo-Anlage glühen wieder die Röhren. Hifi-Kenner lieben die nostalgische Note und den warmen, seidigen Klang. Das Rundfunkorchester hat freilich nie anders geklungen. Mit Roberto Abbado steht nun ein Chefdirigent der jüngeren Generation am Pult (1992–1998). Zukunftsweisend rücken vermehrt komplette Opern auf den Spielplan. Abbado erforscht aber auch gern die Randzonen der Symphonik. Die Promenadenkonzerte werden anspruchsvoller. Und thematischer: Man besteigt den „Orient Express“, begibt sich in eine „Märchenwelt“ oder macht einfach mal „Ramba Samba“.

Man verlässt die angestammten Konzertsäle, es geht mit Pavarotti in die Olympiahalle oder auf Tournee durch Südamerika. Und man wagt den Aufbruch zu neuen Hörabenteuern: Abdullah Ibrahim sucht die symphonische Begegnung mit Südafrika, Lalo Schifrin vereint Jazz und Symphonik, Dee Dee Bridgewater singt auf den Spuren der Jazz-Divas. 1997 dirigiert und improvisiert erstmals Bobby McFerrin mit seinem „favourite orchestra“. Es beginnt, was er „eine ziemlich spirituelle Art der Zusammenarbeit“ nennt.

 

2000er Marcello Viotti © BR\Nina Hornung
Marcello Viotti fesselte nicht nur als Dirigent, sondern auch wenn er dem Publikum die Werke erläuterte.

Die 2000er Jahre

Münchens erstaunlichstes Orchester

Die digitale Revolution macht’s möglich: Über DAB gelangen endlich auch leise Töne ungestört ins heimische Radio, über Livestream ist das gute alte Sonntagskonzert noch in Grön- und Feuerland zu hören. Mit neuem Kurs startet das Münchner Rundfunkorchester ins dritte Jahrtausend – und erobert letztlich die ganze Welt der Musik. Mit seiner Konzertreihe Paradisi gloria erschließt Marcello Viotti, Chefdirigent von 1998 bis 2004, die geistliche Musik des 20. Jahrhunderts. Die seit 1989 betriebene Kinder- und Jugendarbeit wird, bundesweit vorbildlich, systematisch ausgebaut. Themenabende unter dem Motto Mittwochs um halb acht unterhalten in bislang ungehörter Vielfalt.

Reichlich Prominenz lässt sich sehen: Hans-Dietrich Genscher lädt nach Osteuropa, Donna Leon ins barocke Venedig, Konstantin Wecker verzaubert Kinder und Jugendliche, Roger Willemsen moderiert charmant und kompetent Filmmusik-Konzerte. Die cineastischen Aktivitäten sorgen überhaupt für Aufsehen: Man spielt live zur flackernden Leinwand sowie unter der Stabführung von Altmeister Ennio Morricone, der 2004 erstmals in Deutschland dirigiert. Ulf Schirmer (Künstlerischer Leiter ab 2006) setzt wiederum neue Akzente. Etwa mit einem Lehár-Zyklus, dem er erstaunlich viel mehr als schöne Melodien entlockt.

 

2010er Cinq-Mars mit Palazzetto Bru Zane © BR\Lisa Hinder
Gounods Oper „Cinq-Mars“ bildete 2015 den Auftakt zur Zusammenarbeit mit Palazzetto Bru Zane (Zentrum für französische Musik der Romantik), die bis heute währt.

Die 2010er Jahre

Gut „vernetzt“

Enge Freunde sind einfach unerlässlich. Nachdem 2006 die Kooperation mit der Theaterakademie August Everding gestartet war, kommt nun ein weiterer wichtiger Partner dazu: Gemeinsam mit Palazzetto Bru Zane (Zentrum für französische Musik der Romantik) widmet man sich der Wiederentdeckung großer Opern z.B. von Gounod und Saint-Saëns. Die Konzertmitschnitte erscheinen dann in edlen CD-Büchern. Auch sonst hat das Aufnahme-Füllhorn nicht zuletzt dank Ulf Schirmer viel zu bieten: von Leo Falls Dollarprinzessin bis zu Strauss’ Feuersnot. Die Filmmusik bekommt jetzt unter dem Motto „Sounds of Cinema“ im Circus-Krone-Bau ein spektakuläres Setting.

Gut „vernetzt“ ist das Rundfunkorchester auch im übertragenen Sinn: Eine eigene Homepage und Social-Media-Aktivitäten sichern die Präsenz im World Wide Web. „On demand“ ist dabei der Schlüssel zum individuellen Musikgenuss: Konzerte können als Audio oder Video abgerufen werden. Auf den gängigen Streaming-Portalen ist das Orchester bestens vertreten. So lässt sich ab 2017 auch der neue Chefdirigent Ivan Repušić trefflich ins Licht rücken. Der Kroate beginnt einen Verdi-Zyklus und tilgt mit Werken aus Südosteuropa einen (fast) blinden Fleck auf der gängigen musikalischen Landkarte.

 

2020er Kroatisches glagolitisches Requiem © BR\Lisa Hinder
Eine Herzensangelegenheit war dem aktuellen Chefdirigenten Ivan Repušić die Aufführung des „Kroatischen glagolitischen Requiems“ von Igor Kuljerić Anfang 2020.

Die 2020er Jahre

Auf in eine neue Dekade

Am schönsten ist Musik als Liveerlebnis. Das Coronavirus jedoch legt die Welt lahm, die Konzertsäle müssen zeitweise schließen. Wie also in die Ohren des Publikums finden? Geisterkonzerte, d.h. Veranstaltungen ohne Publikum im Saal, werden in Radio und TV oder als Video-Livestream übertragen. Ostergrüße aus dem Homeoffice oder Ständchen aus dem Funkhaus werden elektronisch veröffentlicht. Im Sommer machen sich kleinere Formationen des Orchesters zu Landpartien in der Region auf. Die CD-Produktionen gehen unvermindert weiter; so entsteht z.B. der Soundtrack zur Tatort-Folge „Dreams“. Und der letzte Livemitschnitt aus Vor-Pandemiezeiten, Igor Kuljerićs Kroatisches glagolitisches Requiem, bringt mehrere Auszeichnungen ein.

Durch Apps wie BR Klassik Radio oder die ARD Klassik Mediathek wachsen die Empfangsmöglichkeiten schier ins Unendliche. Dazu passt das Format der Space Night in Concert, die an die gleichnamige Kultsendung von ARD alpha anknüpft und die Klänge des Rundfunkorchesters mit der Faszination des Weltraums verbindet. 2022 ist dafür erneut der junge Österreicher Patrick Hahn vorgesehen – erstmals in der Geschichte des Münchner Rundfunkorchesters bekleidet er die Position des „Ersten Gastdirigenten“. Ab in die Zukunft!


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