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StartseiteHome Orchester Interview Till Heine

interview mit dem Solofagottisten till heine

Aus dem Programmheft zum 1. Paradisi gloria 2019/2020 am 22. November 2019

Mitten im RO mit Till Heine (C) Lisa Hinder
Kontakt mit dem jungen Publikum: Till Heine und eine stolze Besucherin, die mitten im Orchester Platz nehmen darf

Till Heine, wie sind Sie zu Ihrem Instrument, dem Fagott, gekommen?

Ich bin sozusagen ein positives „Opfer“ von Aktionen zur Jugendbildung und Musikvermittlung. Wir hatten in der Schule ein Bläserquintett zu Gast und durften nach dem musikalischen Vortrag die Instrumente ausprobieren. Alle standen bei Flöte, Oboe, Klarinette und Horn Schlange, und ich fragte mich, wann ich denn drankomme. Keiner wollte das Fagott ausprobieren, daher habe ich das dann gemacht und festgestellt: Das ist genau mein Ding! An der Schule gab es glücklicherweise Fagotte zum Ausleihen – und an der Musikschule eine fantastische Fagottlehrerin. So kam es, dass ich mit zwölf Jahren sowohl das passende Instrument als auch den entsprechenden Unterricht bekam und sofort den richtigen Weg einschlagen konnte. Später, nach weiteren Fördermaßnahmen wie zum Beispiel bei Jugend musiziert, kam ich ins Bundesjugendorchester, und damit ging ein Tor für mich auf: In der Welt, die ich auf diese Weise betreten hatte, wollte ich gerne bleiben.

Sie haben auch im Weltjugendorchester mitgespielt. Was hat es damit auf sich?

Das war eine Einrichtung von Jeunesses musicales, und tatsächlich waren dort Jugendliche aus der ganzen Welt versammelt. Heute gibt es das in dieser Form leider nicht mehr. Ich konnte als 20-Jähriger an drei Arbeitsphasen teilnehmen. Wir waren zum Beispiel in Verbier, wo ich einige Künstlerpersönlichkeiten kennengelernt habe, die mir später wiederbegegnen sollten − zum Beispiel der Dirigent Antonio Pappano oder auch Bobby McFerrin, der mehrfach beim Münchner Rundfunkorchester gastierte. Ich erinnere mich auch an den jungen Daniel Harding. Er spielte damals noch Trompete, hat sich aber schon fürs Dirigieren interessiert und konnte dann ein Konzert im Concertgebouw in Amsterdam leiten.

Sie haben bei Eberhard Marschall, Solofagottist im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und Professor an der Hochschule für Musik und Theater München, studiert. Wovon haben Sie dabei am meisten profitiert?

Mich hat beeindruckt, dass er sowohl fantastisch im Orchester spielt als auch ein hervorragender Lehrer ist. Manchmal hatte ich morgens Unterricht bei ihm, hörte nachmittags bei der Orchesterprobe zu und konnte abends dann noch ein Konzert genießen. Auch seine Tätigkeit im Linos Ensemble hat mir gefallen; diese Liebe zur Kammermusik hat sich bei mir ebenfalls gehalten. Zu Beginn des Studiums fragte mich Eberhard Marschall, warum ich zu ihm gekommen sei. Ich habe ihm geantwortet: „Ich werde Solofagottist im Bayerischen Rundfunk.“ Er sagte: „Okay, dann fangen wir an. Aber wenn du nicht versuchst, die Olympiaqualifikation zu erreichen, bist du bei mir am falschen Platz.“ Das fand ich gut. In meinem ersten Festengagement war ich dann zehn Jahre lang Stellvertretender Solofagottist in der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen. Als beim Münchner Rundfunkorchester 2010 die Stelle für Solofagott frei wurde und ich das Probespiel gewann, ging mein Wunsch tatsächlich in Erfüllung.

Wie trug sich das zu?

Seit dem Tag, als ich in Ludwigshafen begann, wurde ich auch immer wieder als Aushilfe ins Rundfunkorchester geholt. Mich hat hier maßgeblich Ulf Schirmer (Künstlerischer Leiter von 2006 bis 2017) interessiert. Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir Aufführung und CD-Mitschnitt der Oper Simplicius Simplicissimus von Karl Amadeus Hartmann. Es hat mich fasziniert, mit welcher Präzision und Leistungsstärke nicht nur das Rundfunkorchester, sondern auch die Solisten musiziert haben, was ja mit einem ECHO Klassik belohnt wurde. Eine weitere tolle Produktion, wieder unter der Leitung von Ulf Schirmer, war die Oper Tri sestri (Drei Schwestern) von Peter Eötvös gemeinsam mit der Theaterakademie August Everding. Ich war für diese Produktion, die über drei Wochen lief, als Aushilfe hier und wusste zunächst nicht, dass in dieser Zeit auch ein Probespiel für Solofagott stattfinden würde, denn meine Post mit der Einladung dazu lag in Ludwigshafen. So habe ich dann Tag und Nacht geübt, vor und nach den Proben und Vorstellungen. Nach einer Jugendvorstellung von Tri sestri am Vormittag war für 14 Uhr das Probespiel angesetzt. Die Kollegen wollten wissen, was ich jetzt mache. Ich sagte: „Ich gehe ganz normal mittagessen und werde in Zukunft hoffentlich euer Kollege sein.“ So ist es zum Glück auch gekommen.

Sie sind Lehrbeauftragter für Orchesterstudien im Hauptfach Fagott am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg. Außerdem bieten Sie Musikercoachings an. Worum geht es da?

Ich gebe seit über zehn Jahren Workshops zum Thema „Höchstleistung mit Leichtigkeit“, die ich zusammen mit einem Psychologen und einem Kollegen von der Oper Frankfurt entwickelt habe. Darin geht es um Auftrittstraining und Übestrategien. Denn tatsächlich kommt es auf das Üben an. Dadurch legen wir sozusagen die Programme dafür fest, was wir in einer Vorspielsituation abrufen können. Je genauer und klarer meine Vorstellung von dem ist, was ich tun will, umso genauer kann ich meinen Übeplan festlegen. Das ist ein Kreislauf. Man muss eine Vorstellung von der Technik, im Fall des Fagotts auch vom Atemapparat, und vom richtigen Körperbewusstsein haben. Dem liegt natürlich die musikalische Vorstellung zugrunde: Was will ich überhaupt spielen? Wir veranstalten unsere Workshops zum Beispiel auf Nachfrage von Musikhochschulen, waren damit in München, Düsseldorf, Mannheim, Mainz und Saarbrücken. Auch für die Stipendiaten der Andechser ORFF-Akademie des Münchner Rundfunkorchesters, die bis 2015 existierte, konnten wir das anbieten.

Welche Konzerte aus dem vielfältigen Spektrum des Rundfunkorchesters machen Ihnen am meisten Spaß?

Ich finde alle Bereiche gleichermaßen reizvoll, erfreue mich an grandiosen Sonntagskonzerten mit Topsolisten genauso wie an der Reihe Mittwochs um halb acht; zuletzt hatten wir da unseren aktuellen Artist in Residence, den Flötisten Emmanuel Pahud, zu Gast. Und für mich persönlich ist außerdem die Reihe Paradisi gloria etwas ganz Besonderes, weil sie an einem Ort stattfindet, der mit meinem Leben eng zusammenhängt. Meine Frau und ich haben in der Herz-Jesu-Kirche geheiratet, und unser zweiter Sohn wurde dort getauft. Es ist ein sehr meditativer Raum, in den ich auch gerne einfach mal gehe, um die Gedanken kreisen zu lassen.

Sie sind in den Publikationen des Münchner Rundfunkorchesters für die laufende Saison auf dem Foto zu sehen, das die Reihe Klassik zum Staunen repräsentiert. Wie wichtig ist für Sie die musikalische Kinder- und Jugendarbeit des Münchner Rundfunkorchesters?

Sie genießt denselben Stellenwert wie die anderen Tätigkeiten. Es ist unglaublich interessant, bei neuen Konzepten dabei zu sein oder Klassiker der Literatur zu spielen, die der Musikvermittlung dienen, wie Peter und der Wolf von Prokofjew oder Brittens The Young Person’s Guide to the Orchestra. Auch die Musikgeschichte Paddington Bärs erstes Konzert von Herbert Chappell, die nicht so bekannt ist, finde ich wunderbar. Dazu kommen viele andere Angebote, zum Beispiel die Instrumentenvorführungen. Auf unserer Website gibt es außerdem die Videos Mitten im RO, wo für Jung und Alt die Instrumente des Orchesters erklärt werden und ich das Fagott vorstelle. Es ist spannend, zu sehen, wo die Luft ins Instrument rein- und wo sie wieder rausgeht, wozu all die Klappen dienen und so weiter. Es macht mir auch Freude, zu zeigen, in welchen Musikstilen man mit dem Fagott dabei sein kann, vom Barock bis zur Moderne. Und Kinder sind sowieso das ehrlichste Publikum, das man haben kann.

Bei der Langen Nacht der Museen 2017, bei der Mitglieder des Rundfunkorchesters auftraten, waren Sie als Kammermusikbeauftragter des Orchesters involviert. Wie hat sich das weiterentwickelt?

Wir begleiten immer wieder Ausstellungen in der Alten Pinakothek − zuletzt Florenz und seine Maler, und aktuell läuft die große Van-Dyck-Ausstellung. An fünf Terminen (vier davon stehen noch aus; Anm. d. Red.) gibt es dazu Afterwork-Events. Man kann die Ausstellung zu später Stunde genießen, es wird flämisches Bier ausgeschenkt und Mitglieder des Rundfunkorchesters umrahmen das Ganze musikalisch, machen in verschiedenen Ausstellungsräumen Station und spielen für zehn bis fünfzehn Minuten. Dabei erklingen Werke, die damals tatsächlich so in Antwerpen zu hören waren; Van Dyck stammte ja von dort. Mein Vorsatz bei der Planung war, dieses Mal wirklich ganz original zu sein. Und ich hatte das Glück, von Reinhard Goebel, als er für eine CD-Produktion bei uns zu Gast war, Komponisten und Werke genannt zu bekommen, die genau diese Zeit dort beleuchten. Wir greifen also in ein geheimes Schatzkästchen, denn Namen wie Nicolaus à Kempis und Philippe van Wichel sind einem kaum geläufig. Reinhard Goebel ist ein unglaubliches Kompendium, und ich empfinde es als großes Geschenk, jemanden wie ihn durch die Arbeit im Rundfunkorchester hautnah erleben zu dürfen.

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