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StartseiteHome Orchester Interview Damien Lingard

interview mit dem Stellvertretenden Soloposaunisten Damien Lingard

Aus dem Programmheft zum 3. Konzert Paradisi gloria 2017/2018 am 13. Juli 2018

Damien Lingard (Credit Dieter Nagl)
Posaunist Damien Lingard bei einer Probe in Wien während der Tournee mit Diana Damrau, 2018

Damien Lingard, Sie wurden in Sydney geboren und kamen 2007 durch das Studium zunächst nach Stuttgart. Wie „deutsch“ sind Sie mittlerweile?

Natürlich passt man sich etwas an. In Sachen Gründlichkeit und Pünktlichkeit bin ich vielleicht ein bisschen „deutscher“ geworden. Aber ich hoffe, dass ich auch ein wenig von der Entspanntheit und Lockerheit im Umgang bewahren konnte, die wir Australier nach Meinung vieler Deutscher haben. Doch man sollte es mit solchen Klischees nicht übertreiben: Hier wie dort gibt es ganz unterschiedliche Menschen.

Wie kamen Sie zu Ihrem Instrument, der Posaune?

Ich gehöre einer evangelischen Freikirche an, wo viel Blechblasmusik gemacht wird und eine Brassband Tradition ist. Dort habe ich im Alter von ungefähr acht Jahren mit dem Kornett, einem kleineren Blechblasinstrument, angefangen. Ich wollte dann in der Schulband mitspielen, und die stellvertretende Direktorin erklärte, dass viele Schülerinnen und Schüler Flöte, Klarinette oder Trompete spielen möchten. Sie bat die Eltern, ihre Kinder davon zu überzeugen, zum Beispiel Fagott oder Posaune zu wählen. In dem Moment war mir klar, dass ich unbedingt Posaune spielen wollte. Meine Eltern waren zuerst nicht ganz so überzeugt, aber ich bekam von der Schule für ein halbes Jahr ein Instrument zum Ausprobieren und war vom ersten Tag an begeistert.

Was hat Ihnen daran gefallen – vielleicht, dass die Posaune so schön golden aussieht?

Na ja, mein erstes Instrument war völlig verbeult und verkratzt und hätte eigentlich auf den Müll gehört. Aber ich mochte den Klang, den ich schon von Posaunenquartetten her kannte: sehr rund und „vokal“. Und durch die Mechanik des Zugs fiel es mir leicht, Melodien auf der Posaune zu spielen. Ich konnte sofort loslegen, ohne erst Griffe üben zu müssen.

Als Europäer stellt man sich das Musikleben in Australien ja insgesamt sehr bunt vor – von der Klassik bis zum Didgeridoo …

Musik und Kultur der Ureinwohner werden tatsächlich noch gepflegt, aber viele kennen das eigentlich nur aus den Touristengegenden.

Und welche musikalische Prägung haben Sie selbst mitbekommen?

Meine Familie ist oft umgezogen, und meine Eltern sind schließlich in Sydney gelandet, doch ich habe einen Großteil meiner Jugend in Brisbane verbracht. Als ich auf die Highschool kam, habe ich sofort in der Bigband gespielt. Und auch die Brassband-Szene mit dieser typisch englischen Besetzung ist stärker ausgeprägt als in Deutschland. Später habe ich am Queensland Conservatorium of Music studiert. Weil das Wetter in Brisbane meist schön ist, haben die Jazzstudenten in der Mittagspause oft ihre Instrumente mit auf die Wiese genommen und eine Stunde lang gespielt. Man hat gegessen und sich unterhalten; das hat mir sehr gefallen.

Sind Sie mal im Opernhaus von Sydney aufgetreten?

Ja, das letzte Mal vor vier oder fünf Jahren. Damals habe ich im Australian World Orchestra mitgespielt. Das ist ein Ensemble aus australischen Musikern, die überall auf der Welt tätig sind und sich regelmäßig für ein Projekt treffen – oft mit sehr guten Dirigenten wie Simon Rattle; ihn habe ich allerdings selbst nicht erlebt. Aber ich war bei dem allerersten Projekt unter der Leitung von Simone Young dabei, die in Deutschland sehr bekannt ist. Zuvor bin ich im Sydney Opera House auch schon mit dem Australian Youth Orchestra aufgetreten.

Wie ging es nach dem Bachelor in Brisbane weiter?

Ich habe in einer Buchhandlung in Sydney gearbeitet und nebenher studiert. 2007 kam ich dann für den Master an die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst nach Stuttgart; ich wollte noch eine andere Perspektive bekommen, nachdem ich bei einigen der besten Lehrer Australiens Unterricht gehabt hatte. Einige Freunde von mir studierten bereits in Deutschland und meinten, dass es machbar sei. Nach etwas Recherche war mir klar, dass das der richtige Weg ist, weil man hier eine ganz andere Tradition und eine andere Art des Denkens über Musik pflegt. Das hat mich sehr interessiert, denn meine Ausbildung in Australien war eher amerikanisch geprägt. Die Klangvorstellung in Deutschland ist anders; als Ideal gilt ein warmer, dunkler Klang − obwohl das von Region zu Region variiert. Auch in der Artikulation und Phrasierung gab es Unterschiede: In meiner Klasse in Stuttgart wurde großer Wert darauf gelegt, dass die Töne schwingen und nicht einfach „geradeaus“ gehalten werden. Der Ansatz sollte weicher sein, als ich es von meinen früheren Lehrern kannte: gesanglicher, weniger blockhaft. Aber davon hatte ich zunächst nur eine vage Vorstellung – durch einige Aufnahmen mit deutschen Orchestern wie den Berliner Philharmonikern.

Nach dem Studium waren Sie ein Jahr lang Praktikant bei den Stuttgarter Philharmonikern.

Ja, das war eine tolle Erfahrung. Manchmal ist man als Praktikant oder Akademist ein bisschen der Lehrling, der ab und zu etwas spielen darf, was nicht so wichtig ist. Aber in Stuttgart war es anders; ich habe dort viele große Symphonien gespielt und mir ein breites Repertoire angeeignet.

Und 2009 wurden Sie Stellvertretender Soloposaunist beim Münchner Rundfunkorchester …

Ich war damals schon 27 Jahre alt, hatte lange studiert und war auf der Suche. Es gibt nur wenige Posaunenstellen in Deutschland – und in manchen Jahren wird überhaupt keine neu besetzt. Aber mein Professor hatte schon vor dem Probespiel vermutet, dass ich hier gut reinpassen könnte. Die Vielfalt im Münchner Rundfunkorchester gefällt mir sehr. Ich spiele auch gerne mal etwas anderes als Klassik und habe das Gefühl, am richtigen Platz zu sein.

An welches Konzert mit dem Münchner Rundfunkorchester denken Sie gern zurück?

Es gibt viele, aber besonders ist mir die Tournee unter dem Titel „Bad Boys“ 2010 mit dem walisischen Bassbariton Bryn Terfel in Erinnerung geblieben. Ich hatte ihn schon in Australien bewundert und seine Aufnahmen oft gehört. Sie waren eine Inspiration für mich – wahrscheinlich, weil Bariton und Posaune die gleiche Tonlage haben. Wenn ich etwas Wichtiges zu spielen hatte, habe ich davor eine seiner Platten gehört, um in diese Klangwelt hineinzukommen. Genau diese Farben wollte ich auch produzieren. Es war dann ein tolles Erlebnis, mit diesem Helden meiner Jugend gemeinsam auf der Bühne zu sein. Vor allem das Konzert in der Salle Pleyel in Paris habe ich noch vor Augen. Zwischen ihm und dem Orchester hat einfach die Chemie gestimmt. Generell haben mich immer die Solisten beeindruckt, die einen großen Namen haben, aber gleichzeitig bodenständig sind und professionell mit den Musikerinnen und Musikern umgehen. Bei der Tournee mit Diana Damrau in dieser Saison war es genauso: eine schöne Zusammenarbeit, auch mit unserem neuen Chefdirigenten Ivan Repušić.

Was schätzen Sie besonders an ihm?

Zunächst einmal hat er eine sehr gesunde Technik. Man kann an seinen Bewegungen gut ablesen, was er will. Für uns Blechbläser ist es wichtig, dass man einen guten Auftakt bekommt, damit man zum richtigen Zeitpunkt einatmet. Er macht das auf eine ganz natürliche Art. Aber was noch wichtiger ist: Er hat eine genaue Vorstellung davon, was er mit der Musik machen will. Das fordert er vom Orchester ein, und er lässt nicht locker – aber immer auf eine nette Art und Weise. Man spürt, dass es ihm um das gemeinsame Musizieren geht.

Sind Sie noch Mitglied im Posaunenquartett slide connection Stuttgart?

Ja − das Ensemble entstand damals im Studium. Unser Professor hat vier aus unserer Klasse zum Posaunenquartett zusammengestellt. Wir wurden als Stipendiaten bei Yehudi Menuhins Stiftung Live Music Now angenommen und haben dann Konzerte zum Beispiel in Altersheimen gespielt. Als wir Stellen an verschiedenen Orten bekamen, wollten wir trotzdem weiterhin miteinander musizieren. Bisheriger Höhepunkt war eine Australien-Tournee, die ich organisiert habe: fünf Konzerte in verschiedenen Städten und drei Meisterkurse, die vom Goethe-Institut unterstützt wurden.

Mögen Sie auch Jazz und Swing, wo der Posaune eine wichtige Rolle zukommt?

Das war vielleicht meine erste Liebe, noch vor der Klassik. Ungefähr mit elf Jahren, als ich vom Kornett zur Posaune gewechselt hatte, besaß ich eine Kassette mit der Glenn Miller Band. Diese alten Swing-Nummern aus den 1940er Jahren habe ich oft gehört. Meine Schulkameraden, die alle die Hard-Rock-Band AC/DC mochten, konnten das überhaupt nicht nachvollziehen. Aber für mich ging es dann weiter mit Künstlern wie Count Basie, Frank Sinatra oder später Harry Connick junior.

Und was bringen Sie heute aus Ihrer alten Heimat mit, wenn Sie nach München zurückfliegen?

Zwei Sachen sind immer im Gepäck: Tim Tams − das sind australische Schokokekse; und Vegemite, ein Hefeaufstrich. Den esse ich meistens auf Toastbrot zum Frühstück. Menschen, die das nicht kennen, kann man gut damit reinlegen, denn es sieht aus, als ob es süß wäre, ist aber salzig …

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