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StartseiteHome Orchester Interview Mihnea Evian

Interview mit dem Geiger Mihnea Evian

Aus dem Programmheft zum 3. Konzert Paradisi gloria am 17. März 2017

Mihnea Evian mit Yehudi Menuhin (li.) (Archiv des BR)
Mihnea Evian mit Yehudi Menuhin (li.) im Studio 1 des BR

 

Herr Evian, wenn Sie demnächst in Ruhestand gehen, haben Sie 37 Jahre im Münchner Rundfunkorchester als Stimmführer der Zweiten Violinen gewirkt. Aber angefangen hat alles in Ihrer Geburtsstadt Bukarest. Was haben Sie sich erhofft, als Sie dort studierten?

Nun ja, ich habe davon geträumt, ein zweiter David Oistrach zu werden! Das sage ich jetzt natürlich total überspitzt; denn im Grunde ging es darum, ein guter Geiger zu werden. Ich habe besonders die Kammermusik geliebt und war viel auf diesem Gebiet tätig. Und ich habe von der Freiheit geträumt, sonst wäre ich nicht hier! Ich wollte mich frei informieren und bewegen können, meine Erfahrungen in der Welt machen, was damals von Rumänien aus leider nicht möglich war. Deswegen bin ich 1979 nach Deutschland geflüchtet – und habe eine neue Heimat in der deutschen Musikwelt gefunden.

Bereits 1975 gewannen Sie mit Ihrem Streichquartett den 1. Preis beim Internationalen Quartettwettbewerb in Colmar, und 1979 waren Sie Preisträger beim Maria-Canals -Wettbewerb in Barcelona. Wie waren diese Reisen möglich?

Als Musiker war man – wenn auch verbunden mit vielen Schwierigkeiten – irgendwie privilegiert. Wir präsentierten uns in Bukarest vor einer Jury, und dann durften wir an den Wettbewerben teilnehmen: Alles staatlich geregelt, nur die Fahrt haben wir privat bezahlt. Mein Streichquartett hat sich leider gleich nach den ersten großen Erfolgen in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Ich selbst habe ja viereinhalb Jahre in der Staatsphilharmonie George Enescu in Bukarest gespielt. Das war eine Oase der Freiheit in einem unfreien Land. Auch mit dem Orchester bin ich gereist, denn aus Prestigegründen hat der Staat seine Künstler ins Ausland geschickt. Bei allen negativen Aspekten im ehemaligen Ostblock muss ich doch sagen: Ich habe auch von der soliden und kostenlosen Ausbildung als Musiker − siebzehn Jahre lang in allen theoretischen und praktischen Fächern – sehr profitiert. Allerdings waren die musikalischen Anregungen nicht besonders groß. Eine Tradition wie in Deutschland gab es dort nicht. Die Ausbildung war eher handwerklich-sportlich ausgerichtet, nach sowjetischem Muster.

Welchen Rang hatte die Staatsphilharmonie George Enescu?

Es war das beste Orchester des Landes – wie die Berliner Philharmoniker in Deutschland. Und ich hatte Glück: Ich habe die erfolgreichsten Jahre des Orchesters miterlebt. Höhepunkt waren drei Projekte zu je sechs Konzerten unter der Leitung von Sergiu Celibidache. Der damalige Direktor der Philharmoniker, Ion Voicu, hatte es geschafft, Celibidache, der so gut wie nie in Rumänien dirigiert hatte, dazu zu überreden. Es war himmlisch, die ganze Stadt war in Aufruhr! Das waren Momente, wie man sie nicht oft erlebt. Später in München gab es ein Wiedersehen mit »Celi«, als ich mehrmals bei den Münchner Philharmonikern aushalf. In den Bukarester Jahren und dann ein Jahr lang bei den Bamberger Symphonikern habe ich jedenfalls eine solide Erfahrung auf symphonischem Gebiet gesammelt. Als Aushilfe an der Bayerischen Staatsoper unter Wolfgang Sawallisch habe ich mir aber auch ein großes Opernrepertoire erarbeitet. Und im Münchner Rundfunkorchester durfte ich ohnehin ausgiebig Oper spielen: besonders unter Lamberto Gardelli und dem leider viel zu früh verstorbenen Giuseppe Patané, die ich beide sehr verehrt habe und die in meiner „Dirigentothek“ ihresgleichen suchen.

Sie sind Stimmführer der Zweiten Violinen. Welche Aufgabe hat diese Stimmgruppe?

Man muss die Verbindung zwischen den Ersten Geigen und den tiefen Streichern herstellen. Zumindest gilt das für die sogenannte amerikanische Orchesteraufstellung, bei der Erste und Zweite Violinen nebeneinander sitzen. Sie wurde in den USA von Leopold Stokowski oder auch den „k.u.k.-Dirigenten“ Fritz Reiner, Eugene Ormandy und George Szell praktiziert – im Unterschied zur deutschen Aufstellung, bei der die Violinen rechts und links vom Dirigenten sitzen. Damit kann ich mich nicht anfreunden, denn da hört man sich gegenseitig nicht. Erste und Zweite Geigen gehören zusammen, vor allem in der Wiener Klassik – Stereoeffekte hin oder her. Als Stimmführer muss ich immer hellwach sein und ständig entscheiden, nach wem sich meine Gruppe richten soll: den Ersten Violinen, den Bratschen, den Celli oder den Bläsern. Aber das ist ja das Faszinierende am Orchesterspiel.

An welche Erlebnisse im Münchner Rundfunkorchester denken Sie besonders gern zurück?

An die Aufnahme von Puccinis Il tabarro und Gianni Schicchi unter der Leitung von Giuseppe Patané und das anschließende Sonntagskonzert. Das ist noch immer unschlagbar! In den 1980er und 1990er Jahren haben wir außerdem alle Sänger begleitet, die Rang und Namen hatten: zum Beispiel Mirella Freni, Agnes Baltsa, Edita Gruberová, Nicolai Ghiaurov, Luciano Pavarotti, Plácido Domingo oder meinen Lieblingssänger Kurt Moll. Ein weiteres Highlight war Pelléas et Mélisande unter Marcello Viotti. Und aus der Amtszeit von Ulf Schirmer bleiben mir besonders die konzertanten Aufführungen einiger Opern von Richard Strauss in Erinnerung.

Das heutige Konzert dirigiert Ivan Repušić, Chefdirigent ab September 2017. Sie haben bereits Puccinis La rondine mit ihm am Pult gespielt. Welchen Eindruck haben Sie von ihm?

Auch wenn ich nicht mehr in den Genuss komme, seinen Amtsantritt aktiv im Orchester mitzuerleben, freue ich mich wahnsinnig, dass er kommt. Ich habe gemeinsam mit meinen Kollegen seiner Einstellung entgegengefiebert und werde seine Konzerte mit viel Interesse verfolgen. Mich begeistern vor allem seine Musikalität, seine Liebe zur Oper, sein technisches Können und das fachliche Wissen, das für sein Alter von 39 Jahren wirklich ungewöhnlich ist, sowie seine Bescheidenheit und Offenheit. Als er La rondine mit uns geprobt hat, habe ich sofort gewusst: Das ist der richtige Mann! Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden, und ich habe ihm die Aufnahme von Il tabarro und Gianni Schicchi mit Giuseppe Patané geschenkt, die er genauso liebt wie ich.

Sie haben sich auch der pädagogischen Arbeit gewidmet. In welchem Bereich?

Geigenunterricht habe ich nie gegeben; diese Verantwortung erschien mir zu groß. Denn um einen Schüler muss man sich beständig kümmern, aber wenn man im Orchester spielt und auch sonst viel unterwegs ist, geht das nicht. Doch ich habe viele Jugendorchester, Laienensembles und Kammermusikgruppen betreut. Beim Münchner Rundfunkorchester habe ich mich zum Beispiel in der ORFF-Akademie bei der Arbeit mit den Studierenden engagiert; ich könnte mir vorstellen, auch in Zukunft etwas Derartiges zu machen. Besondere Freude hat mir damals die Einstudierung von Beethovens Quartett op. 132 in einer Orchesterfassung von Gerd Kühr bereitet. Bei Klasse Klassik, unserem Projekt für Schulorchester, und bei den Schulbesuchen im Zuge unserer Konzertreihe Klassik zum Staunen habe ich ebenfalls wunderbare Erfahrungen gemacht. Es ist mir auch gelungen, die Verweigerer „aufzutauen“, die zuerst gar nicht mitmachen wollten. Ich habe in den Klassen immer erklärt, wie das Orchesterleben abläuft und was sie beim Besuch unserer Konzerte erwartet. Anschließend gab es meistens so viele Fragen, dass die Zeit nicht gereicht hat.

Ihre Frau, die Musikwissenschaftlerin Irina Paladi, arbeitet auf dem Gebiet der Musikvermittlung und gestaltet z.B. seit Langem die Einführungen zu den Sonntagskonzerten. Tauschen Sie sich mit ihr über Musik aus?

Ja, natürlich. Wir haben uns über die Musik kennengelernt. Die Musikwelt in Bukarest war relativ klein; man kannte sich. Ihr Vater Radu Paladi war ein bedeutender Komponist. Mit einem kleinen Augenzwinkern tragen wir bis heute den ewigen Konflikt zwischen Musikern und Musikwissenschaftlern aus, frei nach dem Motto: „Ihr redet über die Musik, und wir machen sie.“ Aber unsere Tätigkeiten ergänzen sich bestens. Und insgesamt erfüllt mich alles, was mir mein Musikerleben gebracht hat, mit großer Dankbarkeit.

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