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StartseiteHome Orchester Interview Matthew Peebles

Interview mit dem geiger matthew peebles

Aus dem Programmheft zum 4. Sonntagskonzert 2020/2021 am 25. April 2021

Patenschaft macht Schule_GS an der Ittlingerstrasse_Credit BR-Max Hofstetter
Der Geiger Matthew Peebles bei dem Projekt „Patenschaft macht Schule“ im Münchner Funkhaus

Matthew Peebles, Sie stammen aus Kalifornien. Da denkt man als Europäer spontan eher an Windsurfen als an Geigespielen. Wie sind Sie zu Ihrem Instrument gekommen?

Das haben meine Eltern entschieden. Mein älterer Bruder hatte mit Geige angefangen und wieder aufgehört; doch sie wollten es auch mit mir probieren. Heute bin ich der einzige Musiker in der Familie. In der sogenannten Babyboomer-Generation wollten viele Väter und Mütter, dass ihre Kinder sich mit Kunst, Musik oder Tanz beschäftigen; so war es auch bei meinen Eltern. Sie fanden das wichtig für meine Entwicklung. Ich habe mit fünf Jahren im Gruppenunterricht angefangen, doch ich hatte eine relativ kurze Aufmerksamkeitsspanne. Meine Eltern bekamen aber mit, dass ich anfing, klassische Musik im Radio zu hören. Ich habe ein paar Stücke auf Kassette aufgenommen und versucht, sie nachzuspielen. Deshalb gewannen sie wohl den Eindruck, dass ich Interesse und Talent zum Violinspiel habe.

Haben Sie selbst gleich gespürt, dass das „Ihr Ding“ ist?

Nein, lustigerweise habe ich mich damals vor allem über die positive Aufmerksamkeit meiner Eltern gefreut. In den ersten Jahren war es mir wichtig, so schnell wie möglich zu spielen. Ich habe immer mit einem Buch auf dem Notenpult geübt und gleichzeitig gelesen, zum Beispiel den Roman Der letzte Mohikaner. Ich wollte einfach nur die Zeit füllen, denn ich sollte jeden Tag eine Stunde vor und eine Stunde nach der Schule üben.

Wann hat es dann „klick“ gemacht?

Als ich 15 war, besuchte ich das Interlochen Arts Camp – eine Art Sommerakademie – in Michigan. Bis dahin hatte ich tatsächlich gedacht, dass Bach langweilig und formelhaft ist und man nach zwei Takten schon weiß, wie es weitergeht. Eines Tages habe ich die berühmte Chaconne durchgespielt und mir ist ein Licht aufgegangen. Ich habe plötzlich gemerkt, wie vielschichtig diese Musik ist und dass man sich ein Leben lang damit beschäftigen kann. Diese Erkenntnis kam ganz unerwartet, nicht durch einen bestimmten Lehrer, sondern durch die Musik selbst. Dafür bin ich Bach sehr dankbar!

War damit klar, dass Sie Berufsmusiker werden möchten?

Noch nicht. Ich hatte damals auch großes Interesse an Physik. Aber Musik machte mir einfach mehr Spaß, und den mathematischen Teil der Physik fand ich relativ schwer zu verstehen. Mit achtzehn ging ich nach New York und studierte ein Jahr an der Juilliard School bei Itzhak Perlman. Er ist ein wunderbarer Geiger und hat viel Humor. Aber ich hatte damals die Beziehung zwischen Student und Lehrer wohl grundsätzlich nicht verstanden; mir fehlte der nötige Respekt! Und ich habe immer noch Schwierigkeiten damit – das gebe ich gerne zu. Doch ich habe dann viel nachgedacht. Bis dahin hatte ich nicht wirklich auf Intonation geachtet, sondern war nur meiner Empfindung gefolgt; mir war es viel wichtiger, im Moment zu bleiben als sauber zu spielen. Geige spielen war für mich, als ob man ein Mikrofon vor den Lautsprecher halten würde. Dadurch konnte ich mich emotionell immer höher treiben, das war wie eine Befreiung. Ich habe mich schließlich auch sehr mit der Interpretation von langsamen Sätzen beschäftigt. Die Herausforderung besteht darin, die Spannung zu halten und den Blick für das große Ganze zu haben. Besonders bei romantischen Stücken wie dem zweiten Satz von Brahms’ Violinkonzert muss man gut überlegen, worauf man den Fokus legen will.

Waren Sie bereits Student am Boston Conservatory, als Sie all das entdeckten?

Ja, da habe ich bei Lynn Chang studiert. Er hat mir eine große Freiheit gegeben und lediglich darauf geachtet, dass ich immer weiter an mir arbeite. Ich durfte wirklich beinahe alles machen, was ich wollte, die Stücke auswählen und viel mit meinem damaligen Ensemble, dem Sospiro Quartet, ausprobieren. Wir besuchten drei Jahre lang die Streichquartett-Klasse, wurden auf Wettbewerbe geschickt und hatten sogar einen Auftritt im kleinen Konzertsaal der Carnegie Hall.

Warum haben Sie dann entschieden, nach Deutschland zu wechseln?

Der Hauptgrund war, dass ich mich neu erfinden wollte, als Geiger wie als Mensch. Und ich habe damals erwartet, dass ein anderes Land und eine andere Umgebung das befördern würden. Aber letztendlich muss es von innen kommen.

Wie hat Ihr Weg Sie an die Hochschule für Musik Hanns Eisler nach Berlin geführt?

Eigentlich war ich von Gernot Süßmuth, Professor an der Weimarer Musikhochschule, eingeladen worden, bei ihm zu studieren. Ich musste natürlich die Aufnahmeprüfung machen, und da ich schon in Deutschland war, habe ich sie auch an der Hochschule für Musik Hanns Eisler abgelegt. Ich wurde tatsächlich genommen – und wie viele andere Ausländer habe ich mich in diese Stadt verliebt. Berlin ist toll, besonders wenn man 20 oder 21 ist. Die Stadt bietet viele Möglichkeiten und ist sehr lebendig. Ich habe dann verschiedene Lehrer ausprobiert, angefangen zu arbeiten und bei Lothar Strauß von der Staatskapelle Berlin privat studiert. Seit einigen Jahren hat er auch eine Professur an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien.

Was hat er Ihnen mitgegeben, was Sie so im akademischen Betrieb vorher nicht gefunden hatten?

Lothar Strauß ist ein wunderbares Vorbild. Er spielt wie ein Gentleman und spricht sehr poetisch über die Musik und das Leben – gleichzeitig aber immer klar und direkt. Auch wenn manches eigentlich schwer zu beschreiben ist, fand ich es leicht, ihn zu verstehen. Bei ihm konnte ich tatsächlich ein Student sein, und er ist wahrscheinlich bis heute der einzige, bei dem ich das kann. Er ist mein Mentor geworden; ich habe ihm auch später immer wieder mal vorgespielt.

Wie findet man dann in die Orchesterszene hinein?

Durch Probespiele – und das ist nicht so leicht. Aber am Konzerthaus Berlin gab es damals sogenannte Substitutsstellen: Das Honorar betrug 25 Euro für die Probe und 50 Euro pro Konzert. Man musste nur ein Werk vortragen, und ich habe mein damaliges Lieblingsstück, die Solosonate für Violine von Béla Bartók, gewählt. Dadurch bekam ich ein paar Zeitverträge. Am Staatstheater Cottbus erhielt ich die Gelegenheit, Oper zu spielen und zu verstehen, wie das funktioniert und wie flexibel man da sein muss. Das ist wirklich eine ganz andere Welt als Symphonien zu spielen. Anschließend ging es zurück ans Konzerthaus, und dann bin ich hierhergekommen.

Hatten Sie vorher schon Kontakt zum Münchner Rundfunkorchester?

Ich hatte in Berlin bereits mit Eugene Nakamura zusammengearbeitet, der inzwischen Stimmführer der Zweiten Violinen im Rundfunkorchester ist. 2018 hat er mich eingeladen, bei einem Projekt hier als Aushilfe mitzuwirken. Es hat Spaß gemacht, die Kollegen waren sehr nett und es gab einen angenehmen Austausch. Ich finde es wichtig, sich gut zu verstehen, wenn man gemeinsam musiziert. Man muss nicht zu Freunden werden; aber es ist natürlich schön, wenn das passiert. Jedenfalls sollte man ein gemeinsames Ziel haben. Ich dachte, es könnte passen. Daher habe ich das Probespiel absolviert.

Spricht Sie das spezielle Repertoire des Orchesters an?

Ja, ich finde es interessant. Mal spielen wir Oper, mal Symphonisches und manchmal Crossover; jazzige Sachen gefallen mir besonders gut. 2017 bin ich zum Beispiel mit dem Dogma Chamber Orchestra beim WDR-Jazzfestival aufgetreten. Der Jazz ist eine spannende Welt, die ich gern noch mehr entdecken würde.

Sie waren auch schon am Education-Projekt „Patenschaft macht Schule“ des Rundfunkorchesters beteiligt. Dabei waren die Schülerinnen und Schüler auch im Funkhaus zu Gast. Wie lief das ab?

Wir hatten die Aufgabe, ein paar Lieder einzustudieren, und haben auch Rhythmusübungen gemacht. Außerdem habe ich viele Fragen zur Musik und zur Geige beantwortet: wie es ist, als Kind Geige üben zu müssen, ob das wirklich Spaß macht und so weiter. Es ist toll, mit Kindern zu arbeiten. Sie hören zu, sind neugierig und schauen nicht einfach gelangweilt aufs Handy.

Wie geht es Ihnen mit dem Musizieren in Corona-Zeiten? Das Münchner Rundfunkorchester hat ja in dieser schwierigen Phase erstaunlich viel gemacht.

Ja, wir haben Glück, dass wir ein Rundfunkorchester sind, für Sendungen spielen und Aufnahmen machen können. Das ist ein großer Vorteil. Natürlich ist es ein Unterschied, ob Live-Publikum da ist oder nicht. Aber die Musik selbst und das Musizieren machen mir trotzdem immer Freude. Und es tut mir sehr leid besonders für die freiberuflichen Kolleginnen und Kollegen, die gar keine Konzerte geben dürfen. Denn das Auftreten vor Publikum ist Teil der Identität eines Musikers. Und wenn das fehlt, fragt man sich: Wozu bin ich da?

Was machen Sie in Ihrer Freizeit, um abzuschalten?

Ich koche gern, und ich lese gern: keine bestimmte Richtung, viel moderne fiktionale Literatur, aber auch Sachbücher. Von einem Freund in Boston hatte ich zum Beispiel den Roman Krieg und Frieden bekommen; ich habe wirklich versucht dranzubleiben, aber es gelang mir nicht. Drei Jahre später bekam ich das Buch von einem anderen Freund nochmal und fand es super. Ich glaube, es war eine Frage der Übersetzung. Deshalb lese ich einfach alles, was mein Interesse weckt.

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