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StartseiteHome Orchester Interview Martina Liesenkötter

interview mit der geigerin martina liesenkötter

Aus dem Programmheft zum 1. Konzert Mittwochs um halb acht 2017/2018 am 15. November 2017

Die Geigerin Martina Liesenkötter ist musikalisch vielseitig aktiv. (Credit: Archiv des BR)
Die Geigerin Martina Liesenkötter ist bei ihren vielfältigen musikalischen Aktivitäten auch mit Gesang oder Trompete zu erleben.

Martina Liesenkötter, das Münchner Rundfunkorchester hat ein sehr vielseitiges Programm. Sie selbst sind ebenfalls offen für viele musikalische Richtungen. Wie hat sich das entwickelt?

Das war schon immer so. Ich war nie ein reiner „Klassikfreak“, habe mit dem Geigenspiel vergleichsweise spät, mit siebeneinhalb Jahren angefangen. Meine Eltern haben zwar Hausmusik gemacht, zuhause lief auch klassische Musik – Bach, Mozart, Beethoven … Aber ich habe mich als Jugendliche mehr für Rock- und Pop interessiert. Dennoch war ich ab vierzehn schon in Laienensembles und semiprofessionellen Ensembles aktiv und habe meine Liebe zum Orchesterspiel entdeckt. Nach einem dieser Konzerte fragte mein Musiklehrer, ob ich nicht mit der Schule aufhören und Geige studieren wolle. Meine erste Reaktion war: „Nein, immer nur Klassik, das ist nichts für mich!“ Trotzdem habe ich mich dann mit dem Thema befasst und fand die Vorstellung toll, dass – wenn ich mit sechzehn das Studium beginne – meine Klassenkameraden noch drei Jahre zur Schule gehen müssen, während ich mit zwanzig die Ausbildung abschließen, heiraten und die Geige an den Nagel hängen kann (lacht). Zum Glück kam es dann natürlich ganz anders. Aushilfstätigkeiten im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und die Zusammenarbeit mit Dirigenten wie Sir Colin Davis und Lorin Maazel haben mich sehr geprägt. Trotzdem war ich auch immer in anderen Stilrichtungen unterwegs, zum Beispiel während des Studiums in einer Band für Fun Folk Dance Music. Später, als ich schon im Rundfunkorchester war, habe ich angefangen, bei einem Kollegen Trompete zu lernen, um damit auch noch bei einem Jazztrio, bei Bigbands und bei der Blasmusik mitmachen zu können.

Schon während Ihres Violinstudiums an der Münchner Musikhochschule haben Sie die Methode des mentalen Trainings praktiziert. Wie kamen Sie darauf?

Ich musste damals wegen eines Überbeins am Handgelenk operiert werden und einige Zeit pausieren. Daher las ich das Buch Tennis, das innere Spiel, in dem es darum geht, dass Abläufe, die man einmal gelernt hat, im Gehirn abgespeichert sind und automatisch abgerufen werden können. Wenn man sich dessen bewusst wird, kann man sehr gut mental üben; das habe ich bis heute beibehalten: Ich lese also die Noten und überlege mir im Kopf, welche Fingersätze ich benutze oder wie ein komplizierter Bogenstrich umzusetzen ist. Das ist sehr praktisch, denn man spart viel Zeit und Nerven, auch von anderen. Diese Methode wende ich sehr gerne in der S-Bahn an.

Nach einem Aufbaustudium bei Kurt Guntner, einem Aushilfsvertrag an der Bayerischen Staatsoper und einem Engagement beim Schleswig-Holstein Musik Festival erhielten Sie 1992 im Sinfonieorchester des SDR Ihr erstes festes Engagement. 1993 wechselten Sie als Zweite Geigerin ins Münchner Rundfunkorchester. Was zog Sie wieder nach Bayern?

Ich habe in Stuttgart quasi mein Probejahr absolviert, aber es war mir alles ein bisschen zu „schwäbisch“. Auch aus privaten Gründen wollte ich wieder nach München zurück. Der Orchestermanager in Stuttgart hielt mir damals vor, dass ich von einem Symphonieorchester in ein Rundfunkorchester wechseln würde. Mein erstes Konzert hier war dann ein Wagner-Programm mit Waltraud Meier als Solistin und Bruno Weil am Dirigentenpult. Und in der ersten Probe schon war ich beeindruckt vom künstlerischen Niveau, vom musikalischen Miteinander und dem kollegialen Arbeiten. Sehr schnell habe ich dann beschlossen, dass ich nirgendwo anders mehr hin will. Wir hatten viele interessante Künstler zu Gast, zum Beispiel Plácido Domingo, aber auch Jazzgrößen wie Dee Dee Bridgewater, Ray Brown und James Morrison. Auch mit Bobby McFerrin haben wir zusammengearbeitet. In seinen Konzerten folgten auf den Orchesterteil immer Vokalimprovisationen. Ich saß oft im Publikum und hörte zu. Einmal hielt er auf der Suche nach einem Duettpartner zufällig mir das Mikrofon hin − und beim nächsten Mal schaute er dann schon, wo ich sitze.

Was gefällt Ihnen noch?

Es kommt relativ oft vor, dass mich etwas sehr berührt: Da muss nur direkt hinter mir ein schönes Hornsolo erklingen, und schon werden meine Augen feucht … Sehr gern mag ich unsere konzertanten Opernaufführungen – wobei es einen wichtigen Unterschied zum Spielen im Orchestergraben gibt: An einem Opernhaus geht es sehr lebendig zu; man führt jeden Tag ein anderes Stück auf, und es „passiert“ gelegentlich etwas, was aber nicht so auffällt. Auf Dauer wäre das nichts für mich gewesen, weil ich Perfektionistin bin. Das Münchner Rundfunkorchester dagegen spielt immer auf der Bühne und unter Mikrofonen; oft sind Live-Übertragungen auf BR-KLASSIK und Mitschnitte für CD damit verbunden. Und genau da setzt der „Kick“ an: Es soll nicht nur korrekt sein, sondern perfekt − emotional und musikalisch. Das ist eine große Herausforderung. Beim Antrittskonzert unseres neuen Chefdirigenten Ivan Repušić mit Verdis Luisa Miller gab es einen Moment, den ich so noch nie erlebt hatte: Wir haben so leise gespielt, dass der Klang fast im Nichts verschwand. Obwohl das Konzert schon zweieinhalb Stunden gedauert hatte, war es mucksmäuschenstill im Saal; keiner hat gehustet oder mit einem Bonbonpapier geraschelt. Fantastisch! Es ist schön, zu spüren, wie unter Ivan Repušić die Freude am Musizieren wieder aufblüht − wie damals bei Marcello Viotti. Er ist ein Musiker mit Herzblut, der beim Dirigieren genau zeigen kann, was er haben möchte; er hat präzise Vorstellungen und achtet auch auf Klangkultur.

Auch beim PULS Festival, wo Künstler der Pop-Avantgarde unter anderem mit Mitgliedern des Münchner Rundfunkorchesters auftreten, waren Sie dabei …

Ich finde es wichtig, dass bei solchen Projekten diejenigen mitmachen, die offen dafür sind und vielleicht auch schon Erfahrung mit Pop- oder Rockmusik gesammelt haben. Die Spieltechnik ist anders als etwa bei Mozart: nicht immer nur „schön“ und mit Vibrato, sondern auch mal perkussiv, wenn man richtig in die Saiten reingeht und den Bogen ganz knackig ansetzt. Nicht jede Gruppe beim PULS Festival trifft meinen Geschmack, aber mir machen solche Experimente Spaß.

Sie haben auch eine Solo-CD herausgebracht. Was ist darauf zu hören?

Ich habe mir damals Vivaldis Vier Jahreszeiten ausgesucht, weil ich viele Menschen kenne, die nicht wirklich auf Klassik fixiert sind, und ich wollte ein breites Publikum ansprechen. Als Ergänzung schrieben zwei Kollegen aus dem Rundfunkorchester je ein Auftragswerk für mich: Ulrich Hahn ein Stück mit dem Titel Tout un jour − eher modern, aber auch mit leicht jazzigen Elementen. Und Franz Kanefzky hatte ich um ein ganz kurzes Stück gebeten, worauf er meinte: „Ah, einen Quickie.“ Das hat er dann auch auf die Noten geschrieben: Quickie for Two. Es wurde ein Jazzstückchen für Violine und Kontrabass, das ich mit einem befreundeten Kollegen, Albert Frasch, aufgenommen habe. Inzwischen sind wir tatsächlich verheiratet … Und die CD wurde auf BR-KLASSIK vorgestellt.

Von 2010 bis 2013 haben Sie intensiv mit dem Singer-Songwriter Franz Benton zusammengearbeitet. Was war Ihre Funktion dabei?

Franz Benton hatte nach einer Solotour den Wunsch, wieder mit einem Bühnenpartner aufzutreten. Wir haben seine Songs gemeinsam für Duobesetzung mit Geige umgearbeitet. Er war Autodidakt, hat aber sehr melodische Musik geschrieben – durchaus beeinflusst von der Klassik. Ich hatte daher die Idee, als Zugabe von einer Bach-Solosonate direkt in ein Stück von ihm überzuleiten. Das kam so gut an, dass daraus das Projekt Bach to Benton entstand. Es wurde 2011 bei einem Kammerkonzert des Freundeskreises des Münchner Rundfunkorchesters aufgeführt und als Live-Mitschnitt auf CD veröffentlicht.

Seit 2016 sind Sie auch beim Rock Lounge Orchestra zu erleben. Was ist das für eine Gruppe?

Das ist eine Münchner Band, die in dieser Form erst seit drei Jahren besteht, sich aber aus sehr erfahrenen Musikern zusammensetzt. Wir machen richtig gute Rockmusik im alten Stil, spielen eigene Songs sowie Cover-Songs zum Beispiel von Deep Purple, Toto, Joe Cocker oder Bruce Springsteen und sind schon mehrmals beim Tollwood Festival aufgetreten. Außer dem mehrstimmigen Gesang und kleinen Bläsersätzen ist bei dieser Band die Klangkombination aus E-Gitarre, Geige und Saxofon charakteristisch. Dort kann ich meine Kreativität mit Gesang, Geige und Trompete voll entfalten und bekomme viel vom begeisterten Publikum zurück.

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