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StartseiteHome Orchester Interview Markus Blecher

interview mit dem posaunisten Markus blecher

Aus dem Programmheft zum 3. Konzert Paradisi gloria 2018/2019 am 24. Mai 2019

Sounds of Cinema 2014 (BR-Annette Goossens)
Markus Blecher (oben links) bei Sounds of Cinema 2014

Markus Blecher, bevor Sie Berufsmusiker wurden, haben Sie eine Ausbildung zum Maschinenschlosser absolviert. Stammen Sie aus einer Handwerker- oder aus einer Musikerfamilie?

Keines von beiden, aber mein Vater hat von Jugend an in einem Posaunenchor [Blechbläserensemble] Trompete gespielt. Tagsüber arbeitete er im Büro; abends von sechs bis sieben setzte er sich bei uns zuhause im Kinderzimmer auf einen Hocker unter der Lampe und übte. Wir waren fünf Kinder: zwei Mädchen und drei Buben. Und das Jungszimmer, wo er spielte, war am weitesten von den Nachbarn entfernt. Eines Tages – ich war ungefähr elf – musste ich mich auf den Stuhl setzen und die ersten Versuche auf der Trompete starten. Wir Kinder sollten alle ein Instrument lernen, und mein Vater sorgte dafür, dass wir von Anfang an guten Unterricht bekamen. Als ich mit sechzehn die Schule mit der mittleren Reife abgeschlossen hatte, war ich soweit, dass man die Laufbahn als Berufsmusiker in Erwägung ziehen konnte. Aber wie heißt es so schön: erst einmal etwas „Anständiges“ lernen! Nach drei Jahren Ausbildung zum Maschinenschlosser habe ich das Fachabitur gemacht, um Maschinenbau zu studieren. In meiner früheren Firma bot man mir einen Arbeitsplatz an, aber ich habe mich für das Studium der Posaune entschieden. Das war meinem Vater zuerst nicht so recht, denn ich streckte ja noch die Füße unter seinen Tisch. Aber er merkte dann schon, dass ich auf dem richtigen Weg bin: Mit knapp 24 Jahren bekam ich meine Stelle beim Münchner Rundfunkorchester.

War die Lehre denn im Nachhinein betrachtet ein Umweg?

Nein, es war absolut richtig, denn ich hatte damit einen Beruf gelernt, in den ich jederzeit hätte zurückkehren können. Dieses Wissen hat mir über manche Durststrecke hinweggeholfen. Ich durchlebte Phasen, in denen ich an mir selbst zweifelte und mich fragte, wie ich bei einem Probespiel genau an dem Tag von zwanzig Bewerbern der Beste sein sollte. Und es gab Mitstudenten, die sich diese Gedanken auch machten, aber nicht die Sicherheit eines bereits erlernten Berufes hatten. Abgesehen davon liegt mir das Handwerkliche mindestens so sehr wie das Musikalische.

Wenden Sie das handwerkliche Können gelegentlich an?

Solange die Autos noch nicht so kompliziert waren wie heute, habe ich meine Fahrzeuge selbst repariert. Schweißen und Metallverarbeitung in jeglicher Form hatte ich ja gelernt. Ich besitze immer noch mein allererstes Auto, das ich mir mit achtzehn Jahren gekauft habe: einen Peugeot 404. Den habe ich schon dreimal zerlegt und wieder zusammengebaut, und er fährt immer noch.

Warum haben Sie sich für die Posaune entschieden?

Das war in gewisser Weise Zufall. Zunächst musste ich Trompete spielen wie mein Vater. Aber im Posaunenchor war gerade die Altposaune frei – für einen Anfänger eigentlich gänzlich ungeeignet. Sie ist relativ klein und als Instrument in Es allein schon wegen der Grundstimmung etwas kompliziert. Normalerweise nimmt man sie als Sonderinstrument zur Tenorposaune dazu. Zum Glück musste die Altposaune irgendwann repariert werden. Für den Übergang bekam ich ein Tenorhorn mit einem etwas größeren Mundstück, das funktionierte schon viel besser. Doch das Tenorhorn ist weder Trompete, noch Posaune: ein Zwitterinstrument. Schließlich habe ich eine Bassposaune bekommen, und das hat in der Stimmlage, vom Mundstück und von der Größe her am besten gepasst.

Sie studierten am Konservatorium für Musik und Theater in Wiesbaden und an der Staatlichen Hochschule für Musik in Würzburg. Warum dort?

In Wiesbaden zu studieren, war naheliegend, denn dort habe ich damals gelebt. Und mein Privatlehrer, Joachim Tobschall, hat auch am Konservatorium unterrichtet. Irgendwann brauchte ich aber neue Impulse. Daher hat er mich an Hans Rückert vermittelt, der in Würzburg die Bassposaunenklasse leitete und im Sinfonie-Orchester des Hessischen Rundfunks spielte. Die entscheidende Frage war immer: Wo sind die Lehrer, die Erfolg haben und ihre Schüler weiterbringen? Ob sich die Hochschule auf Sylt oder in Garmisch-Partenkirchen befindet, wäre eigentlich egal. Mein erster Lehrer hat mir eine sehr gute handwerkliche Grundlage vermittelt, der zweite hat dann die musikalische Ausdrucksweise „draufgesetzt“.

1987, noch während des Studiums, erhielten Sie eine feste Stelle im Münchner Rundfunkorchester. Wie lief das ab?

Im Dezember 1986 habe ich in einer Woche drei Probespiele absolviert: das erste hier beim Rundfunkorchester. Da hieß es: „Wir laden Sie zum nächsten Termin wieder ein.“ Das zweite war bei den Bamberger Symphonikern, das dritte am Theater in Mainz. Dreimal hintereinander bekam ich also leider kein Engagement, war aber kurz davor. Im Januar erhielt ich dann die Zusage für einen Zeitvertrag am Nationaltheater Mannheim, wo ich letztendlich nur ein paar Wochen tätig war. Im Februar absolvierte ich das zweite Probespiel in München, und das hat dann funktioniert. Damals habe ich gelernt, in einer solchen Situation die Nerven zu behalten. So werden die Probespiele zu einem Wettkampf, an dem man Spaß hat.

An welches Konzert mit dem Münchner Rundfunkorchester erinnern Sie sich besonders gern?

Das erste Erlebnis als fest angestellter Musiker bleibt einem natürlich immer in Erinnerung. In meinem Fall war das ein Konzert unter der Leitung von Herbert Mogg in Baden bei Wien. Am Abend nach der Anreise waren die Kollegen beim Heurigen, und ich habe gelernt, was das bedeutet. Ein älterer Kollege hat mich gegen 23 Uhr rausgelotst, bevor es zum „Absturz“ kam … Aber die wilden Zeiten sind vorbei. Als damals jüngster Kollege habe ich durchgesetzt, dass im Blechbläserzimmer nicht mehr geraucht wurde. Das zweite Ereignis, an das ich mich sofort erinnere, war 1994 ein Gastspiel beim Jazz-Festival in Montreux: Der Dirigent und Arrangeur Lalo Schifrin leitete das Konzert. Mit dabei waren unter anderem die Trompeter James Morrison und Jon Faddis sowie der Posaunist Slide Hampton und der Bassist Ray Brown. Alles in allem ein unvergessliches Erlebnis!

Ab 1990 waren Sie gut zehn Jahre lang Dozent für Posaune am Leopold-Mozart-Konservatorium in Augsburg [später Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg bzw. Universität Augsburg]. Was war Ihnen beim Unterrichten wichtig?

Ich war erst 27 Jahre, als ich damit begonnen habe. Anfangs hatte ich großen Respekt vor dieser verantwortungsvollen Aufgabe, aber es machte mir dann sehr viel Freude, die Studierenden auf ihre Tätigkeit im Orchester vorzubereiten und zu sehen, wie sie sich entwickeln. Der Unterricht beinhaltete ja nicht nur Etüden und Konzerte, sondern auch die Frage, wie man sich in einem Probespiel präsentiert. Nachdem ich als Mitglied im Orchester die Situation des Probespiels auch von der „anderen Seite“ her kannte, wurde mir erst richtig klar, worauf es ankommt. Neben dem handwerklichen Können ist es vor allem ein überzeugender musikalischer Vortrag. Ein kleiner Fehler ist dabei gar nicht so entscheidend. Beim Zuhörer zählt der künstlerische Gesamteindruck. Im Nachhinein bin ich jedenfalls froh, mich dieser Herausforderung gestellt zu haben.

1993 wurde das Datura-Posaunenquartett aus der Taufe gehoben, dem neben Ihnen drei weitere Kollegen aus Orchestern der ARD angehören. Wie haben Sie Ihr Publikum „gepackt“?

Anfangs spielten wir sehr viele Konzerte. Im ersten Teil erklang immer Alte Musik auf sogenannten Barockposaunen, im zweiten Teil neuere Musik auf modernen Instrumenten. Als wir die erste Hälfte des Programms auswendig drauf hatten, stand ein Auftritt im Saal des wunderschönen Historischen Kaufhauses in Freiburg an. Wir betraten also ohne Notenständer und ohne Noten die leere Bühne. Das waren einige Meter, die ich nie vergessen werde. Wie geht es los, mit welchem Ton? Einer von uns hat wie üblich moderiert und das erste Stück angesagt. Dann haben wir uns ohne Schutzschild zum Publikum gedreht und auswendig gespielt. Ein tolles Gefühl, als es dann gelungen war! Am besten schaut man einfach ins Leere, denn die Noten laufen irgendwie im Kopf ab. Und man musiziert ganz anders, wenn man nicht diesen Haltepunkt Notenständer hat. Es ist ein viel intensiveres Zusammenspiel. Später haben wir die kompletten Programme inklusive Zugaben auswendig gespielt.

Unterscheidet sich die Barockposaune sehr von einem modernen Instrument?

Ja, die Bohrung des Mundstücks und die Mensur des Instruments sind viel enger. Daher muss man den Ansatz etwas umstellen, um nicht mit zu viel Luft zu spielen. Außerdem klingen die Instrumente anders, und die Intonationssicherheit muss eingeübt werden. Die Töne im Zentrum zu treffen – das bedarf einiger Erfahrung. Aber wenn man es regelmäßig macht, schaltet der Kopf einfach um. Die moderne Bassposaune hat zwei Ventile; sie dienen dazu, die Posaune für die tiefen Töne zu verlängern, weil der Arm ja nur eine gewisse Länge hat. Das gibt es bei der Barockposaune nicht. Stattdessen hat der Zug eine Verlängerung, mit deren Hilfe man in die tiefe Lage kommt.

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