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StartseiteHome Orchester Interview Emmanuel Hahn

interview mit dem Geiger Emmanuel Hahn

Aus dem Programmheft zum 2. Konzert Paradisi gloria 2018/2019 am 5. April 2019

Emmanuel Hahn bei der Tournee mit Diana Damrau in Wien (Credit Dieter Nagl)
Emmanuel Hahn macht einen Schnappschuss bei einem Gastspiel des Münchner Rundfunkorchesters im Goldenen Saal in Wien

Emmanuel Hahn, das passende Instrument zu spielen, ist für ein glückliches Musikerleben außerordentlich wichtig. Wie und wo findet man eigentlich „seine Geige“?

Ich habe lange Zeit eine alte, historische Geige aus dem 18. Jahrhundert gespielt – dieses Instrument war wie eine alte zickige Dame: sehr anfällig. Man musste viel machen, immer wieder Veränderungen an der Einstellung vornehmen. Obwohl ich die Liebe zu ihr nie ganz verloren habe, hatte ich irgendwann Lust auf ein Instrument, welches richtig gut funktioniert. Ich habe mich auf die Suche gemacht und bin in Berlin auf einen ganz fantastischen Geigenbauer gestoßen: Ragnar Hayn. Dort habe ich verschiedene Instrumente ausprobiert und mich dabei in den Klang seiner Violinen verliebt. Schließlich habe ich mir dann eine Geige von ihm bauen lassen. Die ist letztes Jahr, genau drei Wochen vor meinem Probespiel beim Münchner Rundfunkorchester, fertig geworden – übrigens mein erstes Probespiel mit der neuen Geige. Ich fühlte mich sehr gut mit dem Instrument und habe die Stelle dann ja auch bekommen.

Ist die Beziehung zum Instrument − einer Ehe vergleichbar − auf lebenslänglich angelegt, oder denkt man da eigentlich schon von vornherein auf Zeit?

Das ist durchaus vergleichbar mit einer Ehe. Man geht davon aus und hofft, dass es eine Beziehung fürs Leben ist. Aber man weiß es nicht. Als Musiker entwickelt man sein Spiel weiter, und die Ansprüche entwickeln sich auch. Daher können neue Erfahrungen dazu führen, dass man irgendwann ein neues Instrument braucht. Zudem ist das Instrument abhängig von der Art der Musik, die man spielt. Für Kammermusik muss die Geige ganz anders beschaffen sein als für Orchestermusik.

Sie sind seit Januar 2018 festes Mitglied des Münchner Rundfunkorchesters in der Stimmgruppe der Zweiten Violinen. Im selben Orchester hat bereits Ihr Vater Ulrich Hahn von 1986 bis 2018 als Geiger gewirkt. Hat er Ihnen viel davon erzählt oder Sie in die Proben mitgenommen?

Oh ja, ich bin als kleines Kind sehr viel in den Proben dabei gewesen. Auch auf Tourneen hat mich mein Vater oft mitgenommen. Ich kenne das Rundfunkorchester also von Kindesbeinen an und habe alles ziemlich hautnah mitbekommen.

Wie darf ich mir das vorstellen? Saßen Sie irgendwo im Parkett oder waren Sie mit auf der Bühne und haben sich neben Ihren Papa gesetzt?

Nein, auf der Bühne war ich nicht. Meistens war ich unten im Saal und habe zugehört. Bei Aufnahmen war ich aber auch öfters oben in der Kabine bei den Tonmeistern.

Erinnern Sie sich an ein besonderes, für Sie wichtiges Erlebnis aus diesen Kindertagen?

Ja, ich erinnere mich besonders an eine Probe mit Luciano Pavarotti, der damals beim Münchner Rundfunkorchester zu Gast war. Ich war noch ziemlich klein und wollte ein Autogramm von ihm. Ich bin einfach auf ihn zugegangen, doch dann waren gleich die Bodyguards zur Stelle und haben mich beiseitegeschoben. Das war keine schöne Erfahrung. Sehr gerne denke ich aber an Proben mit Marcello Viotti zurück. Das hat mir immer sehr gefallen – musikalisch und auch seine Persönlichkeit; er hatte eine starke und gute Ausstrahlung. Damals war ich schon etwas älter.

Familiäre Anbindung an das Münchner Rundfunkorchester gibt es nicht nur durch Ihren Vater: Ihre Frau, Eva Hahn, spielt ebenfalls in den Zweiten Geigen. Man kann also fast sagen, das Münchner Rundfunkorchester ist so eine Art Familienmitglied …

Absolut − mit allem, was dazugehört. Die Musikerinnen und Musiker kennen mich seit sehr langer Zeit, was es mir nicht unbedingt leichtgemacht hat. Oft ist man jemandem, den man kennt, ja kritischer gegenüber als einem Fremden. Da möchte man sich selbst und auch den anderen zeigen, dass man gut genug ist. Aber ich fühle mich hier sehr, sehr wohl. Wir haben einen wunderbaren Chefdirigenten und machen tolle Projekte.

Hatten Sie je eine andere Wahl als Geiger zu werden − bei diesem Umfeld?

Offen gesagt, gab es lange Zeit nichts Anderes für mich als die Geige. Aber die Entscheidung, Berufsmusiker zu werden, habe ich trotzdem erst relativ spät, im Studium, getroffen.

Sie hatten sich also ein Hintertürchen offengehalten?

Ja, ich habe sehr viele andere Interessen und wollte es auf dem Feld der Musik erst mal bis zu einem gewissen Punkt bringen, um zu schauen, ob das Musikerleben das Richtige für mich ist. Ich habe auch viel Jazz gemacht, vor allem im Studium. Wir haben sogar eine Jazzband gegründet, die es immer noch gibt, das Andromeda Mega Express Orchestra; allerdings spiele ich nicht mehr mit.

Was machen Sie denn neben der Musik noch gerne?

Zum Beispiel Vespas restaurieren! Ich habe mir eine alte Vespa in komplett marodem Zustand gekauft und sie bis zur letzten Schraube selbst wiederhergerichtet, auch der Motor musste überholt werden. Für dieses Projekt habe ich sogar lackieren und schweißen gelernt.

Ein starkes, musikalisches Interesse ist sicherlich das Streichquartett: 2008 gründeten Sie das Arnon-Quartett und waren dort viele Jahre sehr aktiv. Warum haben Sie diesen Weg nicht weiter beschritten?

Das Quartett sein zu lassen, war die wohl größte Entscheidung meines Lebens. Denn wir haben lange, und viele Jahre auch ausschließlich, Quartett gespielt. Früher war es für mich keine Option, ins Orchester zu gehen; ich hatte auch gar keine Probespiele gemacht. Mein Quartett war wie meine Familie. Wir haben uns täglich gesehen. Ich habe im Quartettspiel sehr viel über mich selbst gelernt – ich würde sogar sagen, mehr als in meinem ganzen Studium. Aber die Streichquartettszene ist ein hartes Pflaster, und als ich dann Vater geworden bin, haben sich meine Prioritäten verschoben. Dann habe ich die Vorzüge des Lebens als Orchestermusiker gesehen: wie es ist, wenn man an einem Ort und nicht sechs oder sieben Monate im Jahr unterwegs ist. Und so habe ich das Streichquartett dann letztes Jahr endgültig ziehen lassen – zugegebenermaßen etwas schweren Herzens.

Sie haben mit dem Arnon-Quartett eine Konzertreihe gegründet, bei der Sie in Berliner Clubs aufgetreten sind. Mit welchem Ziel sind Sie damals angetreten?

Der Anfangsgedanke war, dass wir unsere Freunde, die keine Musiker waren, ins Konzert locken wollten. Die wären normalerweise nie gekommen – einfach wegen des traditionellen Rahmens. Als sie aber eine Aufnahme von uns gehört haben, waren sie total begeistert. Diese Freunde wollten jedoch nicht in die Philharmonie oder sowas. Wir hatten aus Studienzeiten noch eine Freundin, die einen Berliner Club im S-Bahnhof Friedrichstraße führte − und so kam uns die Idee, dort aufzutreten und Motto-Konzerte zu geben: Eines hieß „Schumann und Wurst“. Wir haben Schumann gespielt, und in der Pause wurden Würste gegrillt. Einen Abend namens „Klassikburger“ gab es auch mal … Diese Konzerte kamen wahnsinnig gut an. Und wir fanden es einfach toll, für Leute zu spielen, die mit klassischer Musik nicht so viele Berührungspunkte haben, sich aber total begeistern lassen. Gerade Streichquartett ist ja auch ein Erlebnis – allein schon optisch, wenn man sieht, wie vier Menschen miteinander verbandelt sind. Man ist sehr nah an den Leuten dran.

Was haben Sie jetzt im Orchester, was Sie im Streichquartett nicht hatten?

Es gibt nicht diese extreme Auseinandersetzung wie im Quartett – dort laufen ja immer wieder fast zermarternde Diskussionsorgien über einzelne Takte, über Striche und über Intonation. Im Orchester ist da mehr vorgegeben – daher wird nicht so viel diskutiert. Wenn man nach Hause geht, dann hat man einfach Feierabend.

Das Münchner Rundfunkorchester ist, was das Repertoire betrifft, sehr breit aufgestellt mit konzertanten Opern, Symphonischem, den Kinder- und Jugendkonzerten, geistlicher Musik, Filmmusik … Wofür schlägt Ihr Herz am meisten?

Ich liebe eben genau diese Vielfalt – auch weil wir nur selten zweimal das Gleiche spielen. Bei uns steht jede Woche etwas Anderes auf dem Programm, wir sind immer wieder neu herausgefordert. Das gefällt mir, denn auf diese Weise schleicht sich keine negative Routine ein.

Welches Konzert ist Ihnen besonders zu Herzen gegangen, seitdem Sie selbst dem Orchester angehören?

Das war im Februar dieses Jahres ein Tourneekonzert in Kroatien mit unserem Chefdirigenten Ivan Repušić, den ich übrigens sehr schätze. Er ist so positiv, lässt sich nie aus der Ruhe bringen und hat eine wunderbare Art, jeden einzelnen mitzunehmen und so mit seinen Aufführungen viel Energie zu transportieren. So habe ich es auch bei diesem Gastspiel in Zagreb empfunden. Ivan Repušić stammt ja aus Kroatien, und er hat sich sehr bemüht, uns seine Heimat zu zeigen. Dieser Abend mit berühmten Opernchören war ein fantastisches Konzert. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht. Wir haben dort auch ein Stück gespielt, das in Kroatien jeder kennt – die Friedenshymne von Jakov Gotovac; sie wurde nach dem Krieg so eine Art National-Hymne. Als wir dieses Stück nun extra für das Publikum dort gespielt haben, waren viele Leute zu Tränen gerührt und haben mitgesungen. Das war ein sehr schönes, emotionales Erlebnis.

 

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