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StartseiteHome Orchester Interview Alexandre Vay

interview mit dem stellvertretenden solocellisten alexandre vay

Aus dem Programmheft zum 3. Sonntagskonzert 2017/2018 (Charles Gounod, Le tribut de Zamora) am 28. Januar 2018

Alexandre Vay und Jürgen Evers (C) Denis Pernath Fotografie
Alexandre Vay mit Orchesterkollege Jürgen Evers (Oboe)

Alexandre Vay, Sie stammen aus Le Mans im Nordwesten Frankreichs. Wie kamen Sie zum Violoncellospiel?

Meine Eltern sind beide Pianisten, also habe ich im Alter von vier Jahren ersten Klavierunterricht bei meinem Vater bekommen. Mit sieben sollte ich dann selbst entscheiden, welches Instrument ich spielen möchte. Es sollte ein anderes sein als das meiner Eltern; wahrscheinlich wollten sie, dass ich meinen eigenen Weg finde. Ich habe mich beinahe sofort für das Cello entschieden. Sein warmer Klang und das Repertoire – als Erstes die Suiten von Johann Sebastian Bach – haben mich sehr fasziniert. Ich habe auch nie von einem anderen Beruf als dem des Cellisten geträumt. Mein Held war Mstislav Rostropowitsch.

Wie ging es weiter mit Ihrer Ausbildung?

Ich bin mit vierzehn weg von zu Hause und habe das Musikgymnasium in Angers besucht. Mein Lehrer dort war unter anderem Schüler von André Navarra, einem wichtigen Vertreter der französischen Schule; er kannte auch Yvan Chiffoleau, Professor am Conservatoire national supérieur in Lyon. Bei ihm habe ich dann studiert, allerdings relativ kurz, denn ich fand am Konservatorium als Institution nicht das, was ich erwartet hatte. Gemeinsam haben wir entschieden, dass ich schon nach drei Jahren meinen Abschluss mache. In dieser Zeit erhielt ich meine erste Einladung nach Deutschland für einen Auftritt mit Klaviertrio in der Alten Aula der Universität Heidelberg; davor hatten wir Unterricht bei dem Geiger Ulf Hoelscher an der Musikhochschule in Karlsruhe, das hat mir sofort gefallen. Ich hatte das Gefühl, dieses System passt viel besser für mich. Dank eines ERASMUS-Stipendiums bekam ich die Chance, bei Martin Ostertag in Karlsruhe zu studieren und auch die Solistenklasse zu absolvieren. Er hat mir nicht nur als Cellist, sondern insgesamt als Künstler viel vermittelt. Doch ich wollte den Kontakt nach Frankreich nicht verlieren, bin gependelt und habe zusammen mit dem Pianisten Dimitri Papadopoulos als Duo auch einen Masterabschluss für Kammermusik in Lyon gemacht.

 

Sie haben Meisterkurse bei den bedeutendsten Cellisten absolviert. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?

Im Hinblick auf seine Persönlichkeit und seine Spieltechnik: János Starker. Er war damals 84 Jahre alt und gab in Basel seinen letzten Meisterkurs in Europa mit nur vier Studenten. Nach zehn Minuten wusste er genau, was er bringen kann, das war extrem interessant. Aus künstlerischer Sicht und mit seiner liebevollen Hinwendung zum Cello hat mich Anner Bylsma am meisten beeindruckt; da war ich achtzehn.

Wie sind Sie mit Ihrem Duopartner Dimitri Papadopoulos zusammengekommen?

Das erste Stück, das wir gespielt haben, war Beethovens Sonate C-Dur, op. 102 Nr. 1. Für den Master wollten wir dann irgendetwas Verrücktes machen. In Frankreich ist es üblich, sich im Studium über einen langen Zeitraum hinweg mit nur einer Komposition zu beschäftigen. Wir wollten das Gegenteil davon, haben uns alle fünf Sonaten von Beethoven für Violoncello und Klavier vorgenommen und sie erstmals überhaupt am Konservatorium in Lyon an einem Abend aufgeführt. Auch die Studioaufnahme dieser Werke war eine tolle Erfahrung, ebenso die Konzerte, die wir dann in Frankreich, Deutschland und in Bangkok gegeben haben. In Anwesenheit des französischen Botschafters spielten wir die thailändische Erstaufführung! Wir waren von der Siam Society eingeladen, die von der königlichen Familie unterstützt wird. Der damalige König Bhumibol war selbst Komponist und hat die Kultur sehr gefördert.

Seit 2012 sind Sie Stellvertretender Solocellist im Münchner Rundfunkorchester. Welche Orchestererfahrungen brachten Sie mit?

Schon während des Studiums war ich aushilfsweise als Stellvertretender Solocellist an der Opéra national in Lyon engagiert. Manchmal musste ich auch kurzfristig als Solocellist einspringen. Und die Arbeit mit den Sängern war eine gute Erfahrung; das setzt sich nun hier im Münchner Rundfunkorchester fort. Meine erste Station in einem deutschen Orchester war ein Praktikum im SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg. Das hat mir dank der symphonischen Programme und der Tourneen eine ganz neue Welt eröffnet. Ich wollte unbedingt in Deutschland bleiben, und die Rundfunkorchester hier sind natürlich die „Superorchester“.

Was waren Ihre bislang schönsten Erlebnisse im Münchner Rundfunkorchester?

In meinem ersten Jahr waren wir unter der Leitung von Dan Ettinger beim Kissinger Sommer zu Gast: ein eindrucksvolles Konzert, weil Orchester und Dirigent eine echte Symbiose bildeten; bei der Ouvertüre zu Verdis La forza del destino hatte ich wirklich Gänsehaut. 2013 haben wir dann bei den Salzburger Festspielen Verdis Giovanna dʼArco mit Anna Netrebko und Plácido Domingo konzertant aufgeführt, da fühlte ich mich wie im Paradies. Auch das Silvesterkonzert 2015 mit unserem jetzigen Chefdirigenten Ivan Repušić hat mich sehr beeindruckt: aufgrund seiner Arbeitsweise, seiner großen Musikalität und seiner menschlichen Art.

Das Rundfunkorchester kooperiert seit 2015 mit der Stiftung Palazzetto Bru Zane, die sich der französischen Musik der Romantik widmet …

Ja, und schon nach dem ersten Projekt, Cinq-Mars von Charles Gounod, hat man gemerkt, dass beim Münchner Publikum ein Interesse für französische Oper vorhanden ist. Ich bin sehr überzeugt von der Zusammenarbeit mit Palazzetto Bru Zane. Die Noten, die für unsere Aufführungen jeweils neu hergestellt werden, sind immer hervorragend vorbereitet; jede Frage wird professionell beantwortet. Zu dem Künstlerischen Leiter Alexandre Dratwicki hatte ich – sozusagen von Alexandre zu Alexandre – sofort einen guten Draht. Er lebt wirklich für die Idee dieser Stiftung und hat uns auch eine Partnerschaft bei Kammerkonzerten des Freundeskreises des Rundfunkorchesters angeboten, für die ich sehr dankbar bin. Wir haben zum Beispiel das Klavierquartett op. 41 von Saint-Saëns und Werke für die seltene Besetzung mit drei Violoncelli präsentiert. Am 20. Juni 2018 steht unter anderem Anton Reichas Quintett für Oboe und Streicher auf dem Programm.

2013 haben Sie am Staatstheater in Karlsruhe bei der deutschen Erstaufführung und weiteren Aufführungen des Balletts „In den Winden im Nichts“ drei der Bachʼschen Suiten für Violoncello interpretiert. Wie ging das vor sich?

Als ich die Anfrage bekam, hatte gerade mein Probejahr im Rundfunkorchester begonnen. Es war nicht einfach, beides zu vereinen, aber ich habe es geschafft. Der Choreograf Heinz Spoerli ist in Zürich ein Star auf seinem Gebiet. Ich musste ihm also vorspielen – in seinem schönen Haus am See. Nach nur einem Prélude haben wir festgestellt, dass wir dieselbe Vorstellung davon haben, wie Bach interpretiert werden soll: sehr leicht, aber mit Intensität. Für ihn stand bei dieser Produktion tatsächlich die Musik im Zentrum. Es war keine Choreografie „auf“ die Musik, sondern inspiriert davon.

Sie engagieren sich auch als Pädagoge, sind zum Beispiel Künstlerischer Leiter der Kammermusikakademie im malerischen Trouville-sur-Mer. Warum dort?

Ein Teil meiner Familie stammt aus der Normandie. Mit siebzehn oder achtzehn gab ich in Trouville ein Solokonzert mit Werken von Bach und einem Stück im Andenken an Mstislav Rostropowitsch. Der Bürgermeister war sehr angetan davon und schlug vor, ein Festival ins Leben zu rufen. Wichtig war, dass es Kultur für alle sein sollte. So kam es zur Gründung einer internationalen Akademie mit Unterricht und Konzerten. Inspiriert von der Villa Musica Rheinland-Pfalz treten die Dozenten dabei auch gemeinsam mit den Studenten auf. Wir feiern 2018 unser zehnjähriges Jubiläum und werden dasselbe Konzept auch in Craponne in der Auvergne verwirklichen. Die pädagogische Arbeit ist mir insgesamt sehr wichtig: Ich absolviere auch gerne Schulbesuche für das Münchner Rundfunkorchester. Und wenn ich im Ausland unterwegs bin, unterrichte ich oft, habe zum Beispiel Meisterkurse in Thailand und Honduras gegeben.

Noch eine Frage zu Ihrem Cello: Was für ein Instrument spielen Sie?

Inzwischen ein neu gebautes von Ersen Ayçan. Aber als ich nach Deutschland kam, hatte ich fünf Jahre lang ein Cello von Carlo Giuseppe Testore aus dem Jahr 1707 als Leihgabe der Landessammlung Streichinstrumente Baden-Württemberg. Als ich es zurückgeben musste, probierte ich zusammen mit meinem Professor andere Instrumente aus, darunter ein Cello von Ersen Ayçan, das erst drei Tage alt war. Ich habe ein paar Töne darauf gespielt und war sofort total verliebt. Bald danach hat sich mein erster Eindruck bestätigt, als ich in der Reihe Mittwochs um halb acht der Solist in Ernest Blochs Prayer für Violoncello und Orchester war. Mein Kollege Uladzimir Sinkevich [Solocellist im Rundfunkorchester] hat ebenfalls ein Instrument von Ersen Ayçan. Das ist schon ungewöhnlich, dass beide Spieler am ersten Pult ein Cello aus derselben Werkstatt besitzen. Und es macht große Freude, zusammen zu musizieren!

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