Um 1735 positionierte sich im damals österreichischen Mailand Giovanni Battista Sammartini als gesuchter Lehrer für die gerade aufkommende Sinfonie und den galanten Geschmack: Johann Christian Bach, zweifellos der international berühmteste Bach des 18. Jahrhunderts, sowie Christian Cannabich, der in seiner Stellung als Konzertmeister des Mannheimer Hofes zwanzig Jahre lang Europas bestes Orchester leitete, waren seine prominentesten Schüler.
Doch auch der junge Mozart und sein Vater Leopold sahen in Sammartini eine tonangebende Autorität, deren positives Urteil über den jungen Salzburger 1771 gleich werbewirksam ausposaunt wurde. Sammartini und seine Schüler, zu denen noch Josef Mysliveček und der ungelehrige Christoph Willibald Gluck zu zählen wären, bildeten die Kerntruppe des galanten Geschmacks, deren innerster Beweggrund es war, jenseits aller Gottesbezüge und harmonischer Spitzfindigkeiten verständliche Musik für verstehende Menschen zu schreiben, Musik für eine zivilisierte Öffentlichkeit.
Unser Programm wird mit einer Sinfonie des Lehrers eröffnet, in der die Brillanz der Orchesterbehandlung bereits voll ausgebildet ist. Mit der folgenden Sinfonia concertante von Johann Sebastian Bachs jüngstem Sohn Johann Christian für Klarinetten als prominente Soloinstrumente präsentierte der Komponist die 1770 von Mannheim nach London angereisten Virtuosen auf ihren völlig neuartigen Instrumenten, die bereits ihren sicheren Platz im Mannheimer Orchester hatten. „Ach, wenn wir nur auch clarinetti hätten“, seufzte der junge Mozart bei seinem Besuch in der pfälzischen Residenzstadt 1778.
Mit dem Konzertmeister Christian Cannabich verstand sich Wolfgang Amadé blendend: Man saß gemeinsam zu Tisch, man musizierte miteinander. Cannabich war ein grandioser Geiger mit unbestrittenen Führungsqualitäten – und hätte nichts lieber gesehen, als den jungen Mozart in der Position des Hofkomponisten für den Kurfürsten Carl Theodor. Aber der Kurfürst selbst hatte ganz andere Sorgen: Sein (dynastisch) erzwungener Umzug nach München zum Jahresbeginn 1778 und die Aufsässigkeit der Bajuwaren machten ihm schwer zu schaffen, und auch bei der neuerlichen Begegnung mit dem ehemals Mannheimer Orchester anlässlich der Uraufführung seines Idomeneo 1781 fand sich für den immer noch begierigen jungen Mozart keine freie Position am Hofe.
Immerhin komponierte Mozart für das bewunderte Orchester – ehemals Mannheim, jetzt München – neben Idomeneo eines seiner grandiosesten Werke, die Gran Partita (KV 361): selten zu hören, da für zwölf Blasinstrumente und Kontrabass geschrieben. Zwei Oboen, zwei Fagotte, vier Klarinetten – davon zwei Bassettklarinetten – und vier Hörner bekommt man nur sehr schwer zusammen! Gefahr erkannt, Gefahr gebannt: Als im Jahr 1800 die Drucklegung dieser Gran Partita anstand, entschloss sich der auch wirtschaftliche Notwendigkeiten berücksichtigende Herausgeber André zu einer Bearbeitung des Werks für ein eher traditionell besetztes Orchester mit Flöte, je zwei Oboen, Klarinetten, Hörnern und Fagotten sowie Streichern. Der Bearbeiter, gleichzeitig auch Lithograph dieser Edition, war der Münchner Komponist Franz Gleißner, der für einige Jahre in der Firma des Johann André tätig war. Gleißner erledigte seine Aufgabe meisterhaft – und doch vergebens: Wer wollte in der Ära Napoléons und der nachfolgenden Romantik lockere Serenaden, gar Menuette hören?
Reinhard Goebel