Am Anfang Ihres Werdegangs sah es aber erst einmal nach einer typischen Musikerlaufbahn aus. Wie kamen Sie zum Schlagzeug?
Der Ursprung war ganz klassisch: mit einem Persil-Karton und zwei Kochlöffeln unter dem Küchentisch. Damals gab es noch keine Kinderschlagzeuge, und meine Großeltern brachten mir von einem Italienurlaub ein eigens zusammengestelltes Spielzeug-Instrumentarium mit. Gemeinsam mit meinem Vater, der Hobbymusiker ist, habe ich dann Tanzmusik gemacht. Die ersten Titel, die ich zuhause gelernt habe, waren leichte Jazznummern wie Sweet Georgia Brown oder Tea for Two. Später bin ich mit einer Drei-Mann-Band auf Hochzeiten und Faschingsbällen aufgetreten – wo man eben so spielt, auf dem Land. Dazu kamen Klavier- und Kompositionsunterricht, weil mir sehr schnell eigene Sachen eingefallen sind. Am Gymnasium gab es erste Auftritte, und ich war sehr stolz darauf, am großen Flügel meine kleinen Stücke zu präsentieren. Privatunterricht bei Arnold Riedhammer von den Münchner Philharmonikern und das Studium bei ihm führten schließlich zur ersten Anstellung. Ein relativ geradliniger Weg also.
Beim Sinfonieorchester Münster waren Sie als Solopauker mit Verpflichtung zum Schlagzeug engagiert. Was haben Sie von dort „mitgenommen“?
Ich habe sehr positive Erinnerungen an diese Zeit, weil es ein breiter Spielplan war – vom Konzertrepertoire mit großen Werken wie der „Vierten“ und der „Fünften“ von Tschaikowsky oder der Alpensinfonie von Richard Strauss über Opern wie La bohème und Die schweigsame Frau bis hin zur Operette. Da haben wir uns im Schlagzeug eine Stimme aus fünf Partien zusammengeschrieben, damit man es alleine spielen konnte. Auf diese Weise habe ich sehr viel gelernt. Und in dem breit gefächerten Programm des Münchner Rundfunkorchesters habe ich dann das wiedergefunden, was in Münster seinen Anfang genommen hatte.
Was hat Sie 1991 zum Wechsel veranlasst?
Erst einmal: München! Denn ich komme ja aus Bayern. Zweitens diese unglaubliche Vielfalt – zum Beispiel mit den Crossover-Projekten, die mich sehr angezogen haben. Ich empfand und empfinde es immer noch als Geschenk, mit Persönlichkeiten wie dem Jazzmusiker und Filmmusikkomponisten Lalo Schifrin oder mit Ray Brown, einer Jazzlegende, gemeinsam auf der Bühne gespielt zu haben. Und ich kenne kein anderes Orchester, das derartige Projekte auf einem solchen Niveau vorweisen kann. Nach wie vor fasziniert mich, dass diese Kombination aus Jazz und Klassik zusammenpasst!
Sie waren zunächst als Schlagzeuger verpflichtet, seit 1992 sind Sie Solopauker. Bedeutete das den Wechsel vom Generalisten zum Spezialisten?
Beides sind Spezialaufgaben, ich sehe es als verschiedene Funktionen im Orchester. Als Solopauker kann man aus meiner Sicht großen Einfluss auf den gesamten Orchesterklang und auf die musikalische Gestaltung nehmen. Der Pauker kann mitführen, wenn sich das Tempo verändert, unterstützen, wenn sich Höhepunkte in der Musik ankündigen, und dem Bläserapparat rhythmische Struktur geben. Wenn man es gut macht, hängen die Kollegen sich gerne an die Pauke dran. Das ergibt ein harmonisches Miteinander, das für mich sehr viel mit Intuition und weniger mit rationalem Denken zu tun hat. Man braucht einen „sechsten Sinn“: Wohin geht es gerade, was will der Dirigent, und was machen die verschiedenen Instrumentengruppen? Auch der Schlagzeuger liefert Struktur, weil sein Part ebenfalls sehr rhythmisch angelegt ist. Aber das geht dann etwas mehr in Richtung Effekt.
Die Pauke spielt ja traditionell die Tonika und die Dominante, die beiden wichtigsten Töne einer Tonart…
Die Pauke hat alle Töne! Historisch begann es zwar mit zwei Pauken, die auf Tonika und Dominante gestimmt waren. Aber die Moderne hat viel mehr auf Lager. Durch die heutigen Pedalpauken sind sämtliche Effekte möglich, was es sehr anspruchsvoll und interessant macht. Bei vielen Werken haben wir auf den Pedalen wahre Tänze zu vollführen. Und in dieser Saison wartet eine besondere Herausforderung auf das Orchester: die Zusammenarbeit mit unserem Artist in Residence, dem Schlagzeuger Simone Rubino. Er ist mit seinen jungen Jahren schon ein herausragender Künstler. Ich habe seinen Werdegang verfolgt, auch hier beim ARD-Musikwettbewerb; deshalb freue ich mich sehr auf die drei Konzerte mit ihm.
Neben Ihrer Tätigkeit als Musiker beschäftigen Sie sich wie schon erwähnt seit Langem mit mentalen Techniken. Was brachte Sie dazu?
Der Samen wurde schon im Studium gesetzt. Von meinem Lehrer Arnold Riedhammer kam der Impuls, etwas in dieser Richtung zu machen, denn in unserem Beruf sind mentale Stärke und emotionale Ausgeglichenheit sehr wichtig. Doch das einzige, was ich fand, war ein Kurs für autogenes Training vom Gesundheitspark, unten im Olympiastadion, zu dem ich samstags dann gegangen bin. Oben riefen sie „Tor!“, und unten lagen zehn Menschen im Kreis und sagten vor sich hin: „Mein Arm ist schwer, mein Arm ist ganz warm …“ Ich merkte zwar, dass es funktioniert, aber ich konnte den Schulterschluss zu meinem Beruf und zum Musizieren nicht finden. Über einen Studienkollegen kam ich schließlich zum Yoga. Ich beschäftigte mich mit spiritueller Literatur, die mich ins alte Indien geführt hat, besuchte Seminare über mentale Techniken und habe mich selber verändert. Die Kollegen bemerkten das und fragten um Rat. Daraus haben sich die ersten Coachings entwickelt, und es folgten Anfragen für Workshops von Hochschulen und Orchesterakademien. Ich fand es so faszinierend, zu sehen, welche Heilungsmöglichkeiten es gibt, weit weg von der Schulmedizin. Und welche Wege es gibt, um selber glücklich zu werden, ohne in den Konsumrausch zu verfallen, der uns immer suggeriert wird. Speziell als Musiker zeigt man sich auf der Bühne ja komplett „nackt“. Wir präsentieren unsere Persönlichkeit und geben unser Innerstes preis; darin liegt aber auch eine gewisse Verwundbarkeit. Wir werden bei unserer Arbeit immer bewertet: vom Publikum, vom Tonmeister, vom Dirigenten, von den Kollegen. Und der schärfste Kritiker sitzt ganz nah – nämlich im eigenen Kopf. Oft kann man schon die eigenen Erwartungen nicht erfüllen. Doch es gibt wunderbare Methoden, um mit all diesen „Gegnern“ umzugehen.
Im Rahmen des Projekts Klasse Klassik, bei dem Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Mitgliedern des Münchner Rundfunkorchesters musizieren und ein großes Konzert geben, haben Sie heuer erstmals Workshops in Mentaltraining abgehalten. Wie war es?
Ich fand die Meldungen aus den Reihen der jungen Musiker sehr interessant – und welche Unsicherheiten schon in jungen Jahren entstehen, die normalerweise natürlich nicht preisgegeben werden. Jeder geht mit seiner Maske durchs Leben, alles ist cool. Es war bemerkenswert, wie sich einige Schülerinnen und Schüler geöffnet haben und den Druck zum Beispiel in einer Probe beschrieben haben. Im Konzertsaal können sie dann die Leistung, die zuhause beim Üben problemlos da ist, nicht abrufen. Die entscheidende Frage ist: Wie gelingt es mir, im Konzert annähernd so gut zu sein wie daheim − und dass es mir egal ist oder mich zumindest nicht zu sehr beeindruckt, was der Kollege denkt? Vielleicht denkt er ja, dass ich heute super spiele, in meinem Kopf läuft aber ab, dass er mich kritisiert.
Haben Sie praktische Tipps gegeben?
Ja, meine Workshops sind immer interaktiv. Mir ist wichtig, was aus der Gruppe kommt und wo die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gerade stehen. Daran versuche ich mit den Übungen anzuknüpfen: Was macht es mit mir, wenn ich die Augen schließe und mich auf den Atem zentriere? Es ist toll, zu spüren, wie sich die Energie im Raum verändert und jeder bei sich selber ankommt. Übrigens denken wir mit dem Management des Rundfunkorchesters gerade über ein innovatives Projekt nach, das über das Kultusministerium an uns herangetragen wurde. Wir wollen Lehrern der bayerischen Musikschulen eine Einführung in Mentaltraining anbieten − als Ergänzung zu unseren bisherigen Education-Projekten. Denn es fehlt ein praktisch anwendbares System, das es erlaubt, der Kommunikation und dem musikalischen Geist im Ensemble noch mehr Raum zu geben.
Aus dem Programmheft zum 1. Sonntagskonzert 2018/2019 am 14. Oktober 2018